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Schwarze Stunde

Schwarze Stunde

Titel: Schwarze Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Feher
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Nägel gesund. Wenn wir ganz normal Freund und Freundin wären, würden wir uns jetzt ausziehen und im Wasser miteinander toben, schwimmen und bestimmt auch zärtlich werden. Mein Handy vibriert stumm. Corvin legt erneut seinen Arm um meine Schultern.
    »Da trifft man einmal jemanden, wo sofort das Gefühl stimmt«, sagt er. »Wo alles zu passen scheint, vom ersten Augenblick an, sich einfach nur schön anfühlt, leicht, ohne komische Spielchen und ohne Krampf. Einfach nur du und ich, vom Schicksal aufeinandergeworfen, sofort spürt man, dass das etwas ganz Seltenes, Besonderes ist. Und dann geht es nicht.«
    »Geht denn gar nichts?«, frage ich ihn. »Heißt das, wir können uns überhaupt nicht sehen? Außer in der Schule, meine ich? Nur jetzt und danach nie wieder?«
    Er seufzt und nimmt einen Stock vom Boden auf, zeichnet Striche in den Sand.
    »Eigentlich bedeutet es das, ja«, antwortet er. »Ich würde sofort fliegen, wenn uns irgendwo jemand erwischt. Und den Ruf, den ich dann am Hals habe, werde ich nie mehr los, egal wohin ich gehe.«
    Ich denke daran, dass Alena von uns weiß. Dass wir jetzt hier sind, weiß sie nicht. Ich will nicht an sie denken, nicht jetzt. Wir sind so weit von der Schule entfernt, von ihr und den anderen.
    »Wir müssen ja nicht gleich miteinander in die Kiste springen«, entgegne ich. »So was hat Zeit. Bald bin ich volljährig und würde jedem, der uns dämlich kommt, glaubhaft versichern, dass ich selber entscheiden kann, mit wem ich zusammen bin. Und wir passen natürlich immer auf, dass uns niemand zusammen erwischt. Dann kann uns doch eigentlich keiner was.«
    »Das sagst du so einfach.« Er stupst mit dem Zeigefinger gegen meine Nase. »Aber ich bin noch in der Ausbildung, ich darf nichts riskieren. Gar nichts. Und ich kann auch nicht auf dich warten wie der große Junge auf das kleine Nachbarsmädchen, das ihn später heiraten will, wenn sie groß ist. Das kann ich von dir nicht erwarten, du bist jung, du willst doch jetzt was erleben und nicht irgendwann.«
    »Vor allem aber nicht mit irgendjemand«, entgegne ich. »So etwas Besonderes gibt man nicht einfach auf. Du hast selber gesagt, man muss auch mal etwas Verrücktes wagen.«
    Er lacht leise. »Das wäre allerdings etwas sehr Verrücktes.«
    »Erinnerst du dich nicht mehr?«
    »Doch«, murmelt er, wendet mir sein Gesicht zu und nimmt mein Gesicht in beide Hände. In seinen braunen Augen entdecke ich lauter helle Sprenkel, die ich vorher noch nie wahrgenommen habe, aber wir waren uns bisher auch noch nicht so nah wie jetzt. »Doch, Valerie, natürlich erinnere ich mich daran. Unsere erste Begegnung, die werde ich nie mehr vergessen, so lange ich lebe.«
    Seine Daumen streichen über meine Wangen und ich fahre mit dem Zeigefinger seinen geraden Nasenrücken nach, dann die weiche Haut über den Lippen. Sein Lächeln sieht traurig aus, zärtlich und ganz weich. So wie seine Lippen, die jetzt ganz von allein die meinen finden. Er schmeckt nach Pfefferminz, vielleicht ein ganz klein wenig nach Knoblauch, aber nicht unangenehm, Corvin schmeckt einfach nach sich selbst. Seine Zunge tastet vorsichtig nach meiner, zieht sie wieder zurück und tippt sie erneut an, als fordere sie sie auf, mitzuspielen. Wir lachen schon wieder, während wir uns küssen, unsere Schneidezähne stoßen leicht zusammen, und dann versinken wir ineinander, als gäbe es kein Morgen. Noch nie bin ich so zärtlich geküsst worden.

10.

    C orvin fährt mich pünktlich zurück. So hatten wir zwar nur eine knappe Stunde am See zusammen, aber immerhin bleibt uns noch die gemeinsame Rückfahrt. Zurück in der Stadt, küsst er mich an jeder roten Ampel erneut, als könnte er nicht genug bekommen, und auch ich schalte jedes Mal alle Vernunft aus, jeden Gedanken daran, dass das alles hier nicht sein darf, dass wir Verbotenes tun und dass Alena weiß, wer er ist. Es fühlt sich viel zu gut an, um verboten zu sein.
    »Setz mich lieber zwei Straßenecken vorher ab«, sage ich zu ihm, als wir uns meinem Wohnbezirk nähern, denn jetzt beschleicht mich doch ein ungutes Gefühl. Hinter uns fährt jemand dicht auf, die Scheinwerfer blenden Corvin im Rückspiegel, in der Kurve verreißt er beinahe das Lenkrad, knallt mit dem rechten Vorderreifen über die Ecke einer Bordsteinkante, jetzt nur keine Reifenpanne, der andere Fahrer jagt hupend an uns vorbei und verschwindet in einer Seitenstraße.
    »Vollidiot«, keucht Corvin, ich nicke stumm, will ihm nicht sagen, was ich

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