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Schwarze Stunde

Schwarze Stunde

Titel: Schwarze Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Feher
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ich sonst selten trage, und als es Zeit ist zu gehen, hänge ich mir einen Pullover um die Schultern, schlüpfe in meine weißen Ballerinas und nehme meinen Schlüssel vom Haken. Aus der Küche höre ich meine Mutter die Spülmaschine ausräumen.
    »Ich geh noch mal los«, rufe ich. »Ein paar Sachen für die Schule einkaufen und danach noch mit ein paar Leuten Eis essen. Ich denke, spätestens um neun bin ich wieder da.«
    Mama tritt in den Flur und mustert mich. »So schick hast du dich gemacht – nur zum Eis essen? Extra noch die Haare gewaschen und alles? Das hätte doch bis morgen früh Zeit gehabt, meinst du nicht?«
    Ich bemühe mich, nicht die Augen zu verdrehen.
    »Das ist meine Sache, Mama«, erwidere ich. »So fühle ich mich wohler, außerdem war ich verschwitzt vom Radfahren. Also bis später.«
    »Ist Alena auch dabei?«, forscht sie weiter.
    »Ich denke schon. Warum bohrst du so?«
    »Ich wundere mich nur. Du siehst anders aus als sonst. Man könnte meinen, du hättest irgendein besonderes Ziel.«
    »Das habe ich dir gerade genannt.« Ich spüre meine Hände feucht werden.
    Mama hebt ihre Augenbrauen. »Verlieb dich nur nicht gleich wieder. Nicht, dass du noch einmal unglücklich gemacht wirst.«
    »Quatsch.« Ich schüttele den Kopf und ziehe die Wohnungstür auf. »Mach dir nicht immer übertriebene Sorgen. Also bis dann.«
    Im Treppenhaus atme ich tief durch. Was heißt hier unglücklich, denke ich; gleich sehe ich Corvin, gleich bin ich mit ihm allein. Glücklicher ginge es gar nicht.
    Sein Auto steht schon da, als ich vor dem Unterholz ankomme. Gut, dass es so ein unauffälliges Auto ist, denke ich; keine spezielle Lackierung, keine ungewöhnliche Form, Corvin fährt einen Allerwelts-Kleinwagen, mit dem man sich überall verstecken kann. Die Scheibe neben seinem Sitz hat er wieder heruntergekurbelt, so bemerke ich gleich, dass er eine Sonnenbrille und ein Basecap trägt, mit diesem Look wirkt er fast wie ein Junge. Als ich mich seinem Wagen nähere, blickt er auf und hebt kurz die Hand, grinst breit, dann beugt er sich nach rechts, um mir die Beifahretür zu öffnen. Ein wenig japse ich, als ich in den Sitz sinke.
    »So außer Puste?«, fragt er.
    »Das ist die Aufregung«, gestehe ich.
    »Dann haben wir wieder etwas gemeinsam.« Corvin nimmt meine Hand und legt sie auf seine Brust, genau da, wo sein Herz ist, ich spüre, wie es schlägt, heftig, schnell, spüre seine warme Haut, den Stoff seines T-Shirts. Beinahe abrupt lässt er meine Hand wieder los und startet den Wagen, legt den Rückwärtsgang ein; um besser nach hinten schauen zu können, legt er seinen rechten Arm um meine Rückenlehne, ganz kurz treffen sich unsere Blicke, er lächelt zaghaft, beinahe scheu, ehe er Gas gibt.
    »Das ist alles so verrückt«, sagt er, nimmt sein Basecap ab, seine Haare kleben ein bisschen an der Stirn. Ich greife einfach hin und lockere sie ein bisschen auf, wir können kaum aufhören zu lachen, es ist so schön, bei ihm zu sein, endlich. Er schiebt meine Hand weg, hält sie dabei aber wieder einen Moment länger fest als nötig, zwinkert mir zu und schüttelt den Kopf. Für heute Abend sind wir frei.
    Aus der Innenstadt sind wir schnell raus, Corvin fährt in Pankow auf den Berliner Ring nach Nordosten raus, biegt in Richtung Dresden ab. Hohenschönhausen, Marzahn, Hellersdorf lassen wir hinter uns, ich weiß nicht, wie lange wir gefahren sind, ehe der Abzweig nach Frankfurt/Oder kommt, hier setzt Corvin den Blinker, geht vom Gas, bremst ab.
    »Willst du mit mir nach Polen fahren?«, frage ich. Corvin lacht.
    »Am liebsten bis ans Ende der Welt«, antwortet er. Hält jetzt das Lenkrad mit beiden Händen, die Arme gestreckt, er bläst Luft aus den Backen, als würde gerade eine Last von ihm abfallen oder als hätte er einen Verfolger hinter sich gelassen. Wir bleiben auf der Überholspur, rechts sind fast nur Lastwagen.
    »Okay«, sage ich. »Ich bin dabei.«
    Corvin grinst und schaltet das Autoradio ein, irgendwas aus den neuesten Charts dudelt vor sich hin, ich lehne meinen Kopf zurück und schließe die Augen, von mir aus könnten wir ewig so fahren, ganz kurz nur denke ich an meine Mutter, die ausflippen würde, wenn sie wüsste, wo ich gerade bin und mit wem. Mit einem fremden Mann im Auto, wie dumm bist du denn, Mädchen, der kann dir doch sonst was antun!
    Nach wenigen Kilometern verlässt er die Autobahn, fährt durch ein Dorf bis zu einem Wald, hält an. Der Parkplatz ist beinahe leer, fast eine

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