Schwarze Stunde
denke, will die Stimmung nicht zerstören, den Tag mit ihm nicht auf diese Art enden lassen. Mit matter Stimme lotse ich ihn zu einer Stelle, an der wir nichts befürchten müssen, einer Auffahrt zu einem Hof, auf dem Altmetall gesammelt wird. Um diese Zeit ist da niemand mehr, außerdem dämmert es bereits. Corvin hält an und stellt den Motor ab. Erneut liegen wir uns in den Armen.
»Was machen wir nur daraus?«, wiederholt er. Aber jetzt sagt er nicht mehr, dass es nicht geht, er hält mich und streichelt unablässig mein Gesicht, meine Haare, bedeckt mein Gesicht mit Küssen. »Ich kann doch gar nicht mehr ohne dich sein.«
»Musst du auch nicht«, flüstere ich. »Erst mal sehen wir uns ja am Montag. Jetzt muss ich mich schon auf die Schule freuen, und du hast mir das eingebrockt.« Dabei blicke ich mich verstohlen um, versuche, durch die Scheiben seines Wagens zu erkennen, ob wir beobachtet werden. Niemand ist zu entdecken.
»Wir sind eben verrückt.« Er küsst jede einzelne meiner Fingerkuppen. »Ich zähl jetzt schon die Stunden, bis es endlich Montag früh ist.«
»Schlaf gut und träum was Schönes«, sagen wir beide gleichzeitig, dann halten wir uns noch einmal lange, ich will nicht aussteigen, aber ich muss, sonst bin ich zu Hause gleich wieder einer Inquisition ausgesetzt. Ich warte noch, bis Corvin losgefahren ist, schon jetzt spüre ich die Leere ohne ihn, aber in mir ist alles so leicht, die Luft draußen fühlt sich an wie Champagner in meinen Adern. Corvin fühlt auch etwas für mich, es war so schön mit ihm, fast unwirklich schön, es war so ein Wunder!
Ich fange an, vor mich hinzusingen, Walking On Sunshine mit den Vögeln um die Wette, die ihr Schlaflied zwitschern, wie ein Kind hüpfe ich den Gehsteig entlang, ich könnte jetzt einen Marathon laufen, so viel Kraft fühle ich in mir. Eigentlich will ich noch nicht nach Hause, nur der Gedanke, dass ich Corvin mit in meine Träume nehmen kann, lässt mich weitergehen.
Von vorn aus der Ferne leuchtet plötzlich ein einzelner Scheinwerfer auf, der rasch näherkommt. Scheinbar bin ich nicht die Einzige, die heute etwas übermütig ist. Schon vorhin haben wir selbst auf den belebtesten Straßen zig Motorradfahrer gesehen, ganze Kolonnen, die zwischen zwei Ampeln rasend beschleunigten, um bei Rot sowieso wieder abbremsen zu müssen; vor allem aber Männer in Cabrios, die mit offenem Verdeck und lauter Musik durch die Stadt gebraust sind.
»Eine Überdosis Testosteron«, habe ich gesagt, und Corvin lachte. Dieser Motorradfahrer soll sich lieber nicht erwischen lassen, eindeutig fährt er hier in der Tempo-30-Zone mehr als das Doppelte der erlaubten Geschwindigkeit, sein Motor dröhnt durch die enge Wohnstraße, er rast auf mich zu, dicht an mir vorbei, viel zu schnell, ein geduckter Körper in schwarzem Leder, unkenntlich unter dem Sturzhelm.
Er streift mich fast, gerade noch rechtzeitig springe ich zur Seite und bleibe an eine Hauswand gepresst stehen, atemlos, reiße meinen Kopf herum, als er vorbei ist, gerade noch erkenne ich das Kennzeichen. Das Motorrad gehört Manuel.
Mein Handy vibriert erneut, mit zitternden Fingern ziehe ich es aus der Tasche. Ich will jetzt keine SMS lesen, aber sie könnte von Corvin sein, ein zärtlicher Gutenachtgruß vielleicht. Aber sie ist von einem unbekannten Absender, die Rufnummer unterdrückt. Lass die Finger von ihm, steht darin. Ich fange an zu laufen und spurte, bis ich zu Hause angekommen bin.
Am Samstagmittag rufe ich Alena an, um mich mit ihr fürs Kino zu verabreden, wir sehen den neuen Film mit Kristen Stewart. Ich will nicht mit Alena über Corvin reden, muss sie ablenken von uns, ihr zeigen, dass ich das Wochenende nicht mit ihm verbringe. Auf dem Weg zum Sony Center ertappe ich mich dabei, dass ich pausenlos rede, über Klamotten, die Schauspieler des Films, frage sie nach ihrem Urlaub aus und nach der Fahrschule, in der sie schon ziemlich weit gekommen ist und mit der ich ebenfalls bald beginnen werde. Als es im Kinosaal endlich dunkel wird und die Werbung beginnt, spüre ich, wie erschöpft ich von meiner eigenen Schauspielerei bin, aber ich muss weitermachen, kann mich nur für die Dauer des Films erholen. Nach dem Kino landen wir noch in einer Cocktailbar, und nun fängt Alena an, mich zu löchern.
»Hast du dich inzwischen mal mit Schwarze getroffen?«, fragt sie, noch ehe unser Sex on the Beach vor uns steht. Ich schüttle den Kopf.
»Du weißt, dass das nicht geht«, antworte
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