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Schwarze Stunde

Schwarze Stunde

Titel: Schwarze Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Feher
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erhaschen, damit er mich bemerkt und an mich denkt. Lieber will ich ihn ein letztes Mal sehen und gemeinsam beschließen, dass wir Schluss machen müssen, bevor es richtig angefangen hat, als mit dieser Ungewissheit zu leben.
    Um mich zumindest ein wenig leichter zu fühlen, schreibe ich ihm eine E-Mail mit dem Vorschlag, dass wir uns treffen, die ich jedoch noch nicht versende, sondern in den Entwürfen speichere, damit ich sie jederzeit abschicken kann, wenn ich es nicht mehr aushalte. Viel hilft es nicht.
    »Du musst mir morgen unbedingt beistehen«, stöhnt Alena am Morgen darauf und lässt sich auf ihren Stuhl im Englischraum fallen. »Ich muss zur Theorieprüfung und bin jetzt schon so aufgeregt, dass ich sterben könnte, wenn ich nur daran denke. Diese technischen Fragen sind der Horror! Bitte, bitte, Valerie, kommst du mit und wartest vor der Prüfstelle auf mich? Wenn ich durchfalle, brauche ich unbedingt jemanden, der mich auffängt! Du lässt mich doch nicht hängen?«
    »Du fällst bestimmt nicht durch«, versuche ich sie zu beruhigen. »Aber wenn es dir so wichtig ist, komme ich mit.«
    Sie fällt mir um den Hals. »Danke«, seufzt sie erleichtert und drückt mir einen fetten Schmatzer aufs Ohr. »Ich wusste doch, dass ich mich auf dich verlassen kann. Am besten, du holst mich um siebzehn Uhr ab, dann fahren wir zusammen mit den Rädern hin.«
    Ich verspreche es ihr und da kommen auch schon Frau Bollmann und Corvin in den Kursraum. Als Corvin an mir vorbeigeht, schenkt er mir einen warmen Blick und lächelt ganz leicht; ich muss wegsehen, darf mir keine Hoffnungen machen. Vergiss ihn, Valerie; es bringt nichts, in dieses Lächeln etwas hineinzudenken, das es nicht gibt.
    Aber dann ruft er mich auf dem Handy an. Am selben Nachmittag noch. Ich habe ihm mal gesagt, meine Eltern wären in der Woche nie vor siebzehn Uhr zu Hause, das hat er sich gemerkt. Alena ist mit ihrer Mutter einkaufen, es ist, als hätte er geahnt, dass ich gerade an diesem Nachmittag allein bin. Ich muss es fünf Mal klingeln lassen, um mich einigermaßen zu fangen, ehe ich mich melde. Er ist es wirklich, ich drücke den Hörer ganz fest an mein Ohr, um jeden Satz, jedes Wort von ihm auszukosten. Er will mich sehen, mit mir ins Kino gehen, aber nicht in der Berliner Innenstadt, sondern in Bernau, ein paar Kilometer nördlich von Berlin, weit genug, dass uns mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit niemand sehen wird. Ich kann mit der S-Bahn hinfahren, ganz unauffällig. Morgen um siebzehn Uhr. Ich muss Alena absagen, einen Vorwand finden, weshalb ich nicht mit zu ihrer Theorieprüfung kommen kann. Sie schluckt es erstaunlich gelassen, als ich etwas vom fast verschwitzten Vorsorgetermin bei meiner Frauenärztin sage. Der dauert lange und man kann ihn nicht verlegen, weil man sonst erst nach Monaten wieder einen bekommt. Mein Handy lasse ich während des ganzen Abends mit Corvin ausgeschaltet. Wir sehen »Kings of Rock«, den kenne ich zwar schon und Corvin auch, aber mit ihm würde ich in jeden Film gehen. Wir bekommen ohnehin kaum etwas von der Handlung mit, weil wir uns die ganze Zeit küssen. Hinterher gehen wir noch eng umschlungen durch den Ort. Ich bin glücklich.
    Als ich zu Hause durch unsere Wohnungstür trete, klingelt unser Festnetztelefon; Alena, schießt es mir durch den Kopf, doch im selben Moment, da ich den Hörer zum Ohr führe, wird aufgelegt. Ich versuche, sie zu erreichen. Keine Chance. Ich schalte mein Handy wieder ein, es ist eine SMS eingegangen, dieses Mal mit Alena als Absender. Vergiss nicht: Du darfst keine Geheimnisse vor mir haben. So enttäuscht, Deine A.
    **
    Zu Beginn der Englischstunde am nächsten Tag bleibt Corvin vorne stehen; Frau Bollmann setzt sich auf seinen Platz hinten im Klassenraum. Wie schon in Musik neulich wirkt er ein wenig nervös, lässt die Kreide fallen und bückt sich danach, errötet leicht, als er sich wieder aufrichtet. Ich versuche, ihm einen Blick zu senden, der ihm sagt: Ich bin bei dir. Du hast nichts zu befürchten. Egal wie die Stunde läuft, ich halte zu dir. Vor mir kannst du dich nicht blamieren und nichts muss dir peinlich sein. Corvin lächelt unverbindlich in den Raum, zu mir, zu Frau Bollmann nach hinten. Als er an Alena und mir vorbeigeht, hebt sie die Augenbrauen und sieht mich mit einem Blick an, der mich erschaudern lässt.
    »Dann haben wir also das Vergnügen miteinander«, beginnt er, nachdem er uns begrüßt hat. »Unser Thema im Leistungskurs lautet in

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