Schwarze Stunde
ich.
»Aber du bist doch so verknallt in ihn«, hakt sie nach. »Wie gehst du denn damit um?«
»Wie schon?«, entgegne ich schulterzuckend. »Du hast selbst gesagt, ich soll ihn mir aus dem Kopf schlagen. Was anderes bleibt mir nicht übrig.«
Nachdenklich sieht sie mich an. »Das möchte ich auch gern können. Einen anderen Menschen einfach so abhaken.«
»Ich habe nicht behauptet, das wäre leicht.«
»Ach nein? Es fällt dir also schwerer als bei Manuel?«
»Das kann man nicht miteinander vergleichen. Manuel hat mich mehr als eingeengt, dafür war ich recht lange mit ihm zusammen. In Corvin bin ich heftiger verknallt, aber da ich ihn kaum kenne, werde ich schon drüber hinwegkommen.«
»Dich hat’s also richtig erwischt?«
Wenn du wüsstest, wie sehr, denke ich, schweige jedoch.
Alena legt ihre Hand auf meine. »Ich verstehe dich doch«, beteuert sie. »Im ersten Moment war ich bloß so geschockt, deshalb mein blöder Spruch neulich.« Sie rückt näher an mich heran. »Wenn du dich mit ihm triffst, erzählst du mir doch davon?«
»Ich werde mich nicht mit ihm treffen.«
»Hat er dich noch nicht gefragt?«
»Damit würde er sich selber am meisten schaden.«
»Würdest du hingehen, wenn er dich fragt?«
»Was soll das, Alena, jetzt bohr doch nicht so. Natürlich würde es mir schwerfallen abzulehnen, aber die Frage stellt sich nicht, weil er mich nicht um ein Date bitten wird.«
Sie beugt sich zu mir vor. Unsere Drinks werden serviert, Alena wartet ab, bis die Kellnerin außer Hörweite ist. Noch immer liegt ihre Hand auf meiner.
»Du darfst kein Geheimnis vor mir haben, hörst du? Alles musst du mir erzählen, Valerie, alles. Ich bin deine beste Freundin, vor der hat man keine Geheimnisse.«
»Ich habe dir alles erzählt.«
»Versprichst du mir, dass du das auch in Zukunft tun wirst? Für alle Zeit? Dass du mich immer an deinem Leben teilhaben lässt, egal, was du tust?«
»Da musst du keine Angst haben«, versuche ich sie zu beruhigen und trinke einen Schluck, ehe ich fortfahre. Ich hasse es, so zu lügen, doch mit jedem Satz, jedem Wort zwingt sie mich mehr dazu, treibt mich in eine Lügenspirale, von der ich noch nicht weiß, wie ich ihr entfliehen kann. »Aber was Corvin betrifft, wird es nichts zu erzählen geben.«
»Du musst mir alles sagen, hörst du?« Sie rückt noch dichter an mich heran. »Alles. Wenn du mir etwas verschweigst, finde ich es heraus.«
Ich schiebe sie ein Stück von mir weg. »Komm, verdirb uns nicht den ganzen Abend«, sage ich. »Ich war so froh, dass ich ein paar Stunden lang nicht mal an Corvin gedacht habe. Wie fandest du übrigens Kristen Stewarts neuen Typen in dem Film? Sah er nicht unwahrscheinlich gut aus?«
**
In der Schule hält uns alle bald der Alltag gefangen. Corvin und ich geben uns größte Mühe, uns nicht anmerken zu lassen, was wir füreinander empfinden. Corvin gelingt es, mich im Unterricht zu behandeln wie jede andere Schülerin auch; er nimmt mich nicht häufiger dran, er lächelt mir nicht öfter zu als anderen Mädchen und weder lobt noch korrigiert er mich offener als den Rest der beiden Kurse, in denen er anwesend ist.
Die SMS mit dem seltsamen Inhalt habe ich gelöscht, Manuels prüfenden Blicken weiche ich aus und Alenas bohrenden Fragen, die sie mir immer wieder stellt, versuche ich standzuhalten, indem ich eins ums andere Mal versichere, zwischen Corvin und mir laufe nichts.
Als mein Treffen mit Corvin schon mehr als eine Woche zurückliegt, spüre ich eine wachsende Traurigkeit in mir. Wir haben nur einige SMS und ein paar Mails ausgetauscht, und es sieht aus, als ob es tatsächlich bei diesem einen gemeinsamen Nachmittag bleiben würde. Ich versuche mir einzureden, dass ich froh darüber bin und es auf jeden Fall für uns beide besser so ist. Will mich nicht in eine aussichtslose Liebe hineinsteigern, keine Angst haben, erwischt zu werden. Alena schlägt mir fast jeden Tag etwas vor, das wir zusammen unternehmen können, und ich sage bereitwillig zu, froh über jede Ablenkung und nicht zuletzt, um sie davon zu überzeugen, dass ich ihr nichts verheimliche, was Corvin und mich betrifft. Aber er fehlt mir. Als wir uns damals im Auto voneinander verabschiedet haben, hat er kein neues Treffen vorgeschlagen, aber er wirkte doch so verliebt, es kann doch nicht sein, dass das alles gewesen ist und er jetzt einfach weitermacht, als wären wir uns nie begegnet. Manchmal, wenn ich ihn von Weitem sehe, versuche ich seinen Blick zu
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