Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarze Stunde

Schwarze Stunde

Titel: Schwarze Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Feher
Vom Netzwerk:
es noch immer geschafft, mich rechtzeitig vor Alenas Kontrollanruf auf unserem Festnetz abzusetzen, den sie inzwischen nach jeder ihrer Fahrstunden tätigt. Dazu hält er in immer wechselnden Seitenstraßen, von denen aus ich unbemerkt nach Hause eilen kann.
    Eines Tages fällt mir Frau Bollmann durch ihre auffallend gute Laune auf. Ihre Augen leuchten, als sie unseren Kursraum betritt, und sie streift uns alle mit einem geheimnisvollen Lächeln, ehe sie uns begrüßt.
    »Die hat mit Schwarze gevögelt«, flüstert Oleg Attila zu, so laut, dass jeder es hören kann. Mein Magen zieht sich zusammen, tatsächlich glänzen Frau Bollmanns Augen so wie meine immer, nachdem ich mich mit Corvin getroffen habe. Doch die gute Laune unserer Lehrerin hat einen anderen Grund.
    »Nachdem ich Ihnen zum Schuljahresbeginn schon mit Herrn Schwarze eine Überraschung mitgebracht habe, gibt es heute gleich noch eine«, verkündet sie und strahlt in die Runde. »Bei der letzten Dienstbesprechung hat der Direktor ein Rundschreiben verlesen, in dem stand, dass eine Klasse von einer benachbarten Schule wegen massiver interner Gewaltvorfälle ihre Klassenfahrt an die englische Südküste absagen musste und nun dringend Ersatz gesucht werde, um die Ausfallkosten zu vermeiden. Der Termin ist Mitte November, genau wenn wir unsere Klausurphase hinter uns haben. Da können wir uns ruhig einmal etwas Abwechslung gönnen, also habe ich angeboten, dass wir als Ersatz einspringen würden. Fünf Tage, von Montag bis Freitag. Herr Schwarze wäre so nett und würde unsere Kursfahrt begleiten. Frau Lindner und Herr Boelcke möchten mit ihrer neunten Klasse auch gern fahren, aber ich habe mich beim Direktor sehr für Sie als Leistungskurs eingesetzt, weil ich finde, Sie hätten es wirklich verdient, und unser Junglehrer könnte gleich wertvolle neue Erfahrungen machen.« Über ihr Gesicht zieht sich ein Lächeln wie eine aufgehende Sonne, das sich noch verstärkt, als Corvin, der ans Fenster gelehnt im Raum steht, ihr zunickt. »Also was meinen Sie – soll ich zusagen?«
    Nein, schreit alles in mir; und gleichzeitig ja, ja, unbedingt, auf jeden Fall, vierundzwanzig Stunden am Tag könnte ich dann in Corvins Nähe sein, auch wenn es im Beisein der anderen und Frau Bollmanns unmöglich wäre, unsere Liebe zu leben. Ich könnte ihn sehen, seine Nähe spüren, wie wir das immer können, auch ohne einander anzufassen. Die meisten anderen jubeln bereits, nur Oleg sitzt wieder breitbeinig und mit verschränkten Armen da, Fiona und Yuki tuscheln leise miteinander und Carla starrt vor sich auf die Tischplatte. Auf allen Klassenfahrten in den vergangenen Jahren war sie die Letzte, die bei der Zimmerverteilung übrig geblieben ist und Mädchen zugewiesen wurde, die nicht mit der Streberin zusammen wohnen wollten. Gleich nachher werde ich Alena fragen, ob sie einverstanden ist, wenn wir Carla zu uns mit einladen, sie tut ja niemandem etwas, sie ist nur keine Betriebsnudel wie viele andere Mädchen.
    »Im November ist es in England aber kalt«, jammert Yvonne, die in der Schule nur ihre Zeit absitzt und kaum Ehrgeiz zeigt, ihr Abi zu schaffen. Meist meldet sie sich nur zu Wort, um sich zu beschweren, und fehlt mehr, als dass sie anwesend ist. »Außerdem regnet es dauernd und es wird früh dunkel. In Jugendherbergen ist es da immer so unheimlich.«
    »Ich beschütze dich, Süße«, ruft Patrick. »Jede Nacht komme ich in dein Zimmer geschlichen und wache bis zum Morgengrauen über deinen Schönheitsschlaf.«
    Yuki zwinkert ihm zu und streckt ihm die Zunge heraus.
    »Das ist doch eine super Idee!«, meint Carla jetzt. »So können wir endlich mal unsere Sprachkenntnisse anwenden.«
    »Prima, das wäre also geklärt«, beschließt Frau Bollmann fröhlich. »Und an der englischen Küste ist selbst im Herbst oft noch schönes Wetter, zumindest tagsüber. Natürlich ist es kalt, aber der Regen verzieht sich meist schnell und dann kann man an den verlassenen Stränden stundenlang wandern, ohne einer Menschenseele zu begegnen.«
    »Da fährt ja auch keiner mehr hin, seit die Kreidefelsen dauernd abbrechen und ins Meer purzeln«, bemerkt Oleg. Einige von den Jungs lachen, ein paar Mädchen schreien leise auf, Fiona dreht sich um und zeigt Oleg einen Vogel.
    »Niemand ist gezwungen, mitzufahren«, betont unsere Lehrerin. »Wer nicht will, kann gerne derweil in parallel liegenden Kursen am Unterricht teilnehmen.« Aus ihrer geräumigen roten Ledertasche nimmt sie ein Blatt

Weitere Kostenlose Bücher