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Schwarze Stunde

Schwarze Stunde

Titel: Schwarze Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Feher
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auch seine Zunge überall. Er nimmt eine meiner triefenden Haarsträhnen zwischen seine Zähne und saugt den Regen daraus, trinkt jeden Tropfen, nimmt mein Gesicht in seine Hände wie eine Kostbarkeit, einen wertvollen Schatz, den er ein Leben lang gesucht und nun endlich gefunden hat, seine Augen versinken in meinen, aber dann lachen wir wieder, er kitzelt mich in der Taille, bis ich mich krümme und aus seinen Armen winde.
    »Du bist ganz nass«, sagt er und nimmt mich bei der Hand. So aufregend, so schön, so frei. »Willst du was von meiner Tante anziehen? Ist zwar sicher nicht die neueste Mode, aber irgendein trockener Pullover wird sich vielleicht finden.«
    Er führt mich in ein winziges Schlafzimmer, aus dem Augenwinkel werfe ich einen Blick auf das Bett, breit genug für uns beide wäre es fast, wenn wir eng beieinander liegen, aber dafür bin ich nicht hier, und Corvin macht sich auch schon am Kleiderschrank zu schaffen. Hebt Stapel von Wäsche an, es sind wirklich alles die Klamotten einer älteren Dame, dann zögert er kurz und reicht mir einen rosa Bademantel.
    »Der müsste passen«, meint er und taxiert meinen Körper frech von oben bis unten. »Steht dir bestimmt gut, und wenn deine Sachen unter der Jacke noch nicht ganz durchnässt sind, wird dir auch schnell warm.« Er küsst mich im Nacken.
    Ich hänge meine Jacke an den Haken im Flur und schlüpfe in den Bademantel, tatsächlich wird mir daraufhin schnell wärmer. Dennoch fange ich jetzt erst recht an zu zittern, die feuchte Kleidung am Leib, meine Gefühle für Corvin, die mich nun wieder überwältigen. Draußen dämmert es bereits, aber wir haben kein Licht eingeschaltet. Wenn uns doch jemand gefolgt ist und uns hier in der Laube sehen kann, ist alles aus. Sorgsam achte ich darauf, nicht zu nah ans Fenster zu treten und fühle mich dennoch beobachtet, vom Weg her dringt ein schriller Pfiff zu uns nach innen, der vielleicht einem Hund gilt. Auf einer Kommode stapeln sich einige Handtücher, ich greife das oberste und rubbele meine Haare trocken, Corvin schlingt erneut seine Arme um meinen Körper, um mich weiter aufzuwärmen, ich muss ihn noch nach Socken fragen, meine Füße fühlen sich wie Eisschollen an, eine heiße Dusche wäre jetzt toll, aber danach frage ich nicht, weil ich befürchte, wir würden uns dann nicht mehr beherrschen können. Wir küssen uns erneut, lange und unendlich liebevoll, dann führt er mich ins Wohnzimmer, wo wir uns auf ein geblümtes Sofa setzen.
    »Schön retro, nicht wahr?«, fragt Corvin und wieder lachen wir miteinander, so wie ich sonst mit niemandem lachen kann, nicht einmal mit Alena. Ich glaube, noch nie hat mir etwas innerlich so sehr widerstrebt wie das, was jetzt vor mir liegt, aber jetzt habe ich diesen Weg begonnen und muss ihn zu Ende gehen. Von Anfang an ist alles falsch gewesen, was wir getan haben. Man kann nicht mit seinem Lehrer zusammen sein, es geht nicht. Corvin und ich hätten uns nie begegnen dürfen. Ich kann nur hoffen, dass ihm das mindestens ebenso klar ist wie mir. Es wird auch so schon schwer genug.
    Corvin steht auf, um in der kleinen Küche, in der gerade mal eine Person Platz findet, Tee für uns zu kochen, für jeden einen Becher Früchtetee, dann setzen wir uns wieder hin und warten, bis er lange genug gezogen hat. An der Wand lehnt eine alte Gitarre, eine andere als die, die er immer in der Schule dabei hat.
    »Kommst du öfter hierher?«, frage ich ihn. »Zum Songsschreiben?«
    Er schüttelt den Kopf. »Das ist meine Gitarre von früher, wahrscheinlich ist sie total verzogen und verstimmt. Ich habe sie in irgendeinem Sommer vor Jahren mal hier abgestellt und seitdem nicht mehr in der Hand gehabt.« Er steht aber doch auf und nimmt sie hoch, prüft ihren Zustand und stimmt sie. Dann zupft er einige aufgelöste Akkorde, spielt »Run« von Snow Patrol und singt dazu, als wüsste er bereits, was im Raum steht und was ich ihm gleich sagen will. Vielleicht ist dies unser letztes Lied; nach diesem Song wird alles zwischen uns anders werden, gleich, gleich, ich kann es nicht länger aufschieben.
    I’ll sing it one last time for you
    Then we really have to go
    You were the only thing that’s right
    In all I’ve done
    …
    Light up, Light up, as if you have a choice
    Even if you cannot hear my voice
    I’ll be right beside you, dear …
    Ein Abschiedslied. Als der letzte Ton verklungen ist, hört er auf zu spielen, lehnt die Gitarre an den Couchtisch und streckt lächelnd seine Arme

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