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Schwarze Themse

Schwarze Themse

Titel: Schwarze Themse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Besitz zu bringen.«

    Sie zog sich zurück, um ihn anzusehen. »Und warum ruft er nicht die Wasserpolizei? Ist das überhaupt rechtens?«
    Er sah die Sorge in ihren Augen. Und verstand sie beunruhigend gut.
    Â»Er braucht das Elfenbein schneller zurück, als sie es wiederbeschaffen könnten«, erklärte er. »Auf dem Fluss sind ständig überall Diebe unterwegs.«
    Â»Und Mörder?«, fragte sie. Es lag keine Kritik in ihrer Stimme, aber Angst. Wusste sie, wie schlecht es im Augenblick um ihre finanzielle Lage stand? Die Rechnungen dieser Woche waren bezahlt, aber was war nächste Woche und übernächste?
    Die Klinik bedeutete ihr sehr viel. Wenn sie die Arbeit dort aufgeben müsste, um wieder als bezahlte Krankenschwester Geld zu verdienen, wäre dies ein Scheitern all dessen, was sie gewollt hatten. Und die Klinik würde ohne Hester nicht weiterbestehen. Sie war nicht nur die einzig verlässliche Person dort, die über medizinische Erfahrung verfügte, sie hatte auch den Willen und den Mut, um das ganze Unternehmen zu leiten.
    Früher, in härteren Zeiten, hatten sie finanzielle Unterstützung von Lady Callandra Daviot erhalten, die viele Jahre mit Hester und lange vor ihrer Heirat mit ihnen beiden befreundet gewesen war. Und doch hätte er den Schritt, jetzt zu ihr gehen zu müssen, um sie um Geld zu bitten, von dem er genau wusste, dass er es nicht zurückzahlen konnte, nur sehr ungern getan, zumal sie nicht mehr aktiv mit seinen Fällen zu tun hatte und bei diesem hier gewiss nichts tun konnte. Auch wusste er nicht, ob Hester das je akzeptieren könnte.
    Er fuhr ihr sanft über das Haar. »Ja, natürlich auch Mörder«, antwortete er. »Und Tod durch Unfall. Die Behörden gehen im Augenblick davon aus, dass dieser Tod hier auch ein Unfalltod war, und Louvain hat ihnen nichts anderes gesagt. Wenn ich den Dieb erwische und seine Schuld beweisen kann, kann ich auch den Mord beweisen. Die Aussagen von Louvain und dem Leichenhallenwärter habe ich mir schriftlich geben lassen.« Er
verabscheute den Gedanken, seine Ermittlungen vor der Wasserpolizei geheim halten zu müssen. Er war kein Freund der Obrigkeit und hatte seine Mühe damit, Befehle entgegenzunehmen, aber er war als Polizist ausgebildet worden, und selbst wenn er einige seiner ehemaligen Kollegen wegen ihres Mangels an Phantasie und Intelligenz verachtete, so bejahte er doch die Existenz einer organisierten Polizei, um Verbrechen zu verhindern und aufzudecken. Sie zu täuschen, selbst indirekt oder durch Unterlassung, gefiel ihm gar nicht.
    Hester stritt nicht mit ihm. Das allein verriet ihm, dass sie um ihre finanziellen Nöte wusste. Er wünschte, dass es nicht so wäre, und fürchtete, sie würde ihre Klinik aufgeben. Aber er wusste nicht, was er sagen sollte, ohne das Thema allzu offen anzuschneiden. Er wollte nicht in eine Situation kommen, in der er entweder lügen oder ihr eine Wahrheit sagen musste, die er lieber vor ihr verbergen wollte, bis es unvermeidlich war – über den Fluss und dass er kaum etwas darüber wusste und über seine Angst, dass er das Elfenbein womöglich niemals finden würde.
    Â»Ich habe Hunger«, sagte er lächelnd. »Gibt es was zu essen?«

2
    Am Morgen hatte der Nebel sich verzogen. Monk verließ das Haus gegen sieben, um mit seinen Nachforschungen zu beginnen und etwas über die Welt des Flusses in Erfahrung zu bringen. Hester schlief ein wenig länger, aber gegen acht machte sie sich auf den Weg in das Haus in der Portpool Lane, das fast im Schatten von Reids Brauerei lag. Es waren knapp fünf Kilometer, und sie musste zwei Omnibusse nehmen und dann noch ein Stück gehen, aber sie wusste sehr wohl, dass sie kein Geld für einen Hansom vergeuden konnte, allenfalls mitten in der Nacht.

    Hester trat kurz vor neun ein und stellte fest, dass Margaret bereits dort war. Sie hatte notiert, was in der Nacht passiert war, und überlegte eifrig, was tagsüber am dringendsten zu erledigen war. Margaret war eine schlanke Frau Ende zwanzig und besaß das Selbstvertrauen, das mit einem gewissen Maß an Geld und Bildung einhergeht, sowie die gesellschaftliche Verletzlichkeit einer Frau, die noch nicht verheiratet war. Damit hatte sie weder die Ambitionen ihrer Mutter erfüllt, noch ihre eigenen, was ihr soziales und finanzielles Überleben betraf.
    Sie trug einen einfachen Wollrock und

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