Schwarze Tränen: Roman (German Edition)
niemand.«
WARUM
,
LUKAS
?
WARUM
ERBITTEST
DU
VON
MIR
DIESEN
GEFALLEN
?
»Weil ich es nicht ertragen würde, sie auf ewig in der Hölle zu wissen«, schluchzte er. »Weil ich sie … liebe.« Lukas sank auf die Knie, und seine Stimme brach. »Und wenn das nicht möglich ist, dann weise mir wenigstens den Weg zu ihr, damit sie hier unten nicht so allein ist.«
DU
WÜRDEST
DIE
HÖLLE
AUF
DICH
NEHMEN
,
DAMIT
MILLEPERTIA
HIER
NICHT
ALLEIN
IST
?
»Ja. Hier und jetzt! Ich gehöre dir.« Lukas entblößte demütig seine Hände, unfähig, auch nur
einen
weiteren Ton herauszubringen. Stattdessen schloss er die Augen, erwartete Luzifers Urteil – und spürte, wie etwas Heißes auf seine Handfläche schlug, wo es sich zu einem festen Objekt verdichtete. Verwirrt öffnete er die Augen und erblickte in seiner Rechten einen Diamanten von außergewöhnlicher Pracht.
Das grelle Licht vor und über ihm sank in sich zusammen. Stattdessen trat die gewaltige Hörnergestalt des Teufels auf ihn zu, auf dessen vernarbtem Antlitz sich ein tiefer Schmerz spiegelte. Sehnsüchtig sah der Teufel der gleißenden Himmelsleiter nach, die sich allmählich wieder zu dem vom Flammen bedeckten Himmel zurückzog.
Ohne ihn.
Und auch ohne all die anderen Teufel, die sie umringten und ausdruckslos anstarrten. Eine zweite Träne rann stockend über des Teufels Züge, fiel in die Tiefe und kondensierte in Lukas’ Linker zu einem weiteren Diamanten von außergewöhnlicher Schönheit.
GLAUBE
,
LIEBE
,
HOFFNUNG
.
Der Teufel seufzte sehnsuchtsvoll.
DOCH
DIE
LIEBE
IST
DIE
GRÖSSTE
UNTER
IHNEN
.
Er sah ihn an, dann weinte er die dritte Träne.
VIELLEICHT
,
LUKAS
FAUST
,
sagte Luzifer sanft, während die Träne sich aus seinem Auge löste und herniederfiel,
SEID
IHR
MENSCHEN
ES
JA
DOCH
WERT
,
GERETTET
ZU
WERDEN
.
*
Lukas erwachte in Barbarossas Höhle, die einem Vorhof zur Hölle glich. Der Boden war über und über mit schwarzgrauer Asche, ausgeglühten Knochen und den Resten alptraumhaft deformierter Dämonenschädel bedeckt. Dazwischen lagen die Kreuzritter. Es gab keinen unter ihnen, der nicht von klaffenden Wunden entstellt war. Dennoch lag auf den Gesichtszügen der Männer ein friedlicher Ausdruck. Ihre Leiber bekamen nun Risse, sie bröckelten und verwandelten sich vor seinen Augen zu Staub, der sich mit der Asche vermischte. Fast so, als habe eine gnädige Schicksalsmacht beschlossen, all den Wahnsinn aus der Welt zu tilgen, durchwehte ein Luftzug den Felsendom und wirbelte Staub und Asche fort, als habe es sie nie gegeben.
Wahnsinn? Lukas schüttelte den Kopf, denn auch die Erinnerung an das, was er im Infernalischen Abgrund erlebt hatte, verblasste und kam ihm nunmehr wie ein böser Traum vor. Vielleicht war das auch gut so, denn er spürte, dass er an den Erinnerungen binnen Kürze verzweifelt wäre. Alles, was ihn daran erinnerte, dass er wirklich in der Hölle gewesen war, waren die drei prachtvollen Diamanten, die er noch immer in Händen hielt. Die Teufelstränen glitzerten in weißem, grünem und zartrosafarbenem Feuer und gemahnten ihn in all ihrer Pracht an jenen, der sie um ihrer aller willen vergossen hatte.
Lukas steckte die Adamanten in seine Tasche, dann wandte er sich müde der Felswand hinter Barbarossas Thron zu. Dort, wo sich eben noch die Höllenpforte abgezeichnet hatte, wirkte das Gestein nun wieder so glatt und unberührt wie bei ihrem Betreten der Höhle.
Unweit des Höhlenausgangs konnte er erschöpftes Schnaufen hören. Lukas richtete sich auf und entdeckte auf den Stufen die schweißüberströmten Bandmitglieder von
Devil’s Tabernacle.
Die Jungs atmeten noch immer schwer und hielten ihre Instrumente wie Rettungsanker umklammert. Einige von ihnen wiesen blutige Schrammen an Gesicht und Armen auf, doch sie lebten. Und das allein zählte.
Als Lukas auf sie zukam, hob Ben Dark den Kopf. »Alter, du kommst zu spät.« Er lachte matt. »Wir haben die Bude gerockt wie noch nie. Nur werde ich echt zu alt für diesen Scheiß.«
»Sag ihm, er soll uns ein Bier holen«, keuchte der Drummer.
»Wo ist Abraham?«, wollte Lukas wissen.
Adam, der ganz oben auf den Stufen lag, beschrieb eine fahrige Bewegung nach links und krächzte. Er hatte keine Stimme mehr.
Lukas wandte sich der hohen Steinsäule zu, gegen die noch immer Millepertias Leichnam lehnte. Ihre Gesichtszüge waren blass, und sie wirkte, als würde sie schlafen. Der Kampf, der in der Höhle getobt hatte, hatte ihrem Leib keine weiteren Schäden zugefügt.
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