Schwarze Verführung: Die Herren der Unterwelt 9 (German Edition)
exzellentes Argument.“
Natürlich war ihr sein Sarkasmus entgangen.
Mittlerweile hatten sie eine verlassene Gasse erreicht, und Paris blieb stehen. Perfekt. Der Mond wirkte so nah, als müsste man nur die Hand ausstrecken, um die sanft bernsteinfarben leuchtende Scheibe zu berühren. Noch näher waren die Wolken, hüllten ihn ein in einen feinen Nebel, der nach Tau schmeckte. Obwohl alles gut beleuchtet war, würde niemand, der vorbeikam, sehen, was in der schmalen Gasse vor sich ging.
Entschlossen drehte er sich zu Viola um und presste sie gegen die Wand aus massivem Gold in ihrem Rücken, drang in ihre Wohlfühlzone ein, um ihre volle Aufmerksamkeit zu gewinnen. Bloß dass ihre Aufmerksamkeit bereits zu ihrem Handy gewandert war – schon wieder flogen ihre Finger nur so über die Tastatur.
Ich will, ich will, ich will!
Ich hoffe, du verreckst unter Qualen.
„‚Der Lord of Sex ist noch blutiger als vorhin und … igitt … zugeschwollen. Meine Augen sind not amused .‘ Senden.“
Er packte das Telefon und schob es – statt es zu zerschmettern, wie sein Instinkt es ihm befahl – zurück in ihren Stiefel. „Darüber kannst du später screechen. Jetzt wirst du erst einmal mit mir reden. Was kann ich tun, um die Toten zu sehen? Denk dran, deine Anhänger haben drauf bestanden, dass du’s mir verrätst.“
Schmollend schürzte sie die Wahnsinnslippen, doch dann ergab sie sich: „Verbrenn den Körper der Seele, die du zu sehen wünschst, und heb die Asche auf. Wo wir gerade dabei sind, hab ich dir je erzählt, wie ich einmal die Asche eines …“
Und weiter und weiter plapperte sie über Dinge, die sie getan hatte, dann über sich, über ihr Leben, und Paris blendete sie aus. In seinem Inneren erwachte ein zarter Hoffnungsschimmer. Er hatte Siennas Körper verbrannt und die Asche aufgehoben. Und seit jenem Tag trug er insgeheim eine kleine Phiole mit dieser Asche in seiner Tasche herum.
Irgendwie musste er eine Ahnung gehabt haben, er könnte sie noch einmal brauchen.
Als Viola schließlich verstummte, sagte er: „Um eine Seele zu sehen, muss man mehr tun, als die Asche aufzubewahren.“ Es konnte nicht anders sein. Vor ein paar Wochen war Sienna dem Götterkönig entkommen, hatte Paris ausfindig gemacht, doch Paris hatte sie nicht sehen können.
Wäre nicht William der Lustmolch bei ihm gewesen, ein weiterer Unsterblicher mit der Fähigkeit, mit den Toten zu verkehren, hätte er niemals davon erfahren. Ganz beiläufig hatte William das tote Mädchen zu seinen Füßen erwähnt. Natürlich hatte Cronus sie fast augenblicklich aufgespürt und zurück in ihr Gefängnis verschleppt.
Eine Tat, für die der König der Titanen bezahlen würde.
„Dummkopf, natürlich muss man das. Verrühr die Asche mit Ambrosia und tätowiere die Ränder deiner Augenlider damit“, erklärte Viola. „Dann siehst du sie, ich schwör’s. Wenn du sie berühren willst, tätowiere dir die Fingerspitzen. Wenn du sie hören willst, tätowiere dich hinter den Ohren, bla bla bla. Ich erinnere mich noch genau, einmal hab ich …“
Und wieder blendete er sie aus. Er konnte, er würde das schaffen. Den meisten Leuten mochte es ekelhaft erscheinen, sich mit der Asche einer Toten zu tätowieren, doch Paris hätte weit Schlimmeres getan als das. „Werde ich sie riechen können?Und schmecken?“, fragte er und unterbrach damit Violas Monolog.
„Nur wenn du das Innere deiner Nase und deiner Lippen und die Oberseite deiner Zunge tätowierst. Einmal im Tartarus hab ich …“
„Moment.“
Genug! Ich will sie nicht mehr , meldete sich Sex wieder zu Wort. Such uns jemand anderen.
Soso. Ausnahmsweise waren sie sich mal einig. „Sollte ich sonst noch was wissen? Irgendwelche Konsequenzen, auf die ich vorbereitet …“
„Paris.“ Die vertraute Stimme erklang hinter ihm. Abrupt fuhr Paris herum, während er bereits ein mulmiges Gefühl im Bauch spürte. Wann immer Lucien ihn aufsuchte, folgten die schlechten Nachrichten auf dem Fuße. „Was ist passiert?“
4. KAPITEL
L ucien, Hüter des Todes, war groß und stark, eine beeindruckende Präsenz selbst in dem dichten Nebel, der sie einhüllte. Genau wie Viola konnte der Krieger sich allein mit Gedankenkraft von einem Ort an einen anderen bewegen. Das dunkle Haar stand ihm in wirren Stacheln vom Kopf ab. Seine Augen – eins blau, eins braun – waren von Sorge erfüllt. Auf seinen vernarbten Wangen waren Schmutzspuren zu sehen, und seine Kleider waren zerknittert und
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