Schwarze Verführung: Die Herren der Unterwelt 9 (German Edition)
Seine Augen waren blutunterlaufen, Schnitte und Kratzer überzogen seine Arme, doch sein Gang war fest, wenn auch langsam. Hinter ihm türmten sich die Leichen. Sie hatte geglaubt, nur zwei oder drei der Kreaturen folgten ihr, doch da hatte sie sich gründlich verrechnet. Mindestens elf waren ihr auf den Fersen gewesen.
„Was zur Hölle glaubst du, wo du hingehst?“, fuhr Paris sie an, sobald er sie erreicht hatte.
Unwillkürlich senkte sie den Blick auf seine Lippen. Diese sinnlichen roten Lippen, die sie geküsst und von ihr gekostet und sich gegen ihre gepresst hatten. Lippen, die sie am ganzen Körper spüren wollte. „Irgendwo anders hin. Ich versuche zu entkommen, und ich finde, ich mache das ganz hervorragend, vielen Dank auch“, erwiderte sie.
„Ohne Abschied?“ Entschlossen packte er ihr Handgelenk, drehte es mal so, mal so herum, um nach Verletzungen zu suchen. „Nett, Sienna. Echt nett.“
War er deshalb wirklich sauer? In ihr regten sich Schuldgefühle, gefolgt von Scham und schließlich zarter Freude. Sie hob das Kinn, weigerte sich, unter seinem strengen Blick einzuknicken. „Wäre ich zum Schloss zurückgekehrt – und glaub mir, mein Körper will genau das, allein hier zu stehen ist schon hart –, säße ich wieder fest. Du hast gesagt, du wolltest meinen Fluch brechen. Tja, ich tu mein Bestes, das selbst zu schaffen.“
Seufzend ließ er sie los. „Na gut. Du hast das Richtige getan, aber ich hasse die Tatsache, dass ich dich nie wiedergesehen hätte, wäre ich nicht hinter dir hergekommen.“ Genauso gut hätte er ihr an den Kopf werfen können, sie hätte ihn im Stich gelassen, ihn seinem Leid überlassen, alle möglichen anderen Dinge. Dass er das nicht tat …
„Ich hasse es auch“, gestand sie.
Er räusperte sich, als wäre ihm das Thema unangenehm, und massierte sich den Nacken. „Na ja, jedenfalls will ich nicht, dass du allein hier draußen bist. Das ist zu gefährlich.“
„Tja, ich will auch nicht allein hier draußen sein.“ Plötzlich überrollte sie eine Woge der Benommenheit, und sie schwankte.
Jetzt untersuchte er sie von Kopf bis Fuß, während sich etwas von dem Frost des Engels auch auf seiner Haut ausbreitete. „Das ist nicht bloß das Blut anderer Leute auf deiner Haut, stimmt’s? Du bist verletzt.“
Sorge. Um sie. Hätte sie noch einen Funken Widerstand in sich gehabt, spätestens jetzt wäre er erloschen. „Ich heile schon wieder.“
„Wer hat dir wehgetan?“ Tödliche Bedrohung lag in seiner Stimme.
„ Zorn , als wir durchs Fenster gesprungen sind. Sonst hat er mich immer gezwungen, aufs Dach zu gehen, aber diesmal hatte er Angst, du würdest mich aufhalten. Also …“, sie zuckte mit den Schultern, „… hat er eine kürzere Route gewählt.“
Jetzt verengte Paris die Augen, konnte die Drohung jedoch kaum hinter seinen dunklen Wimpern verbergen. „Lass ihn nicht noch mal die Kontrolle übernehmen.“
Nicht das kleinste bisschen eingeschüchtert vom Zorn des Kriegers erwiderte sie: „Vorhin wolltest du noch, dass ich genau das tue.“
„Ich hab’s mir anders überlegt“, erklärte er und beugte sich zu ihr herab. „Leg’s nicht drauf an, Weib. Dazu bin ich zu gereizt.“
Mehrere Sekunden lang starrten sie einander auf diese Weise an, während sich ihr Atem vermischte, schneller wurde. Sie wollte, dass er sie wieder küsste, wollte beenden, was sie begonnen hatten.
„Diese Gegend ist nicht sicher“, meldete sich der andere Mann und ruinierte den sinnlichen Moment.
Ruckartig richtete Paris sich auf, streckte sich kerzengerade. „Sienna, das ist Zacharel. Er ist ein Kriegerengel der Einen Wahren Gottheit. Zacharel, das ist Sienna. Sie gehört mir.“
Ein Schauder überlief Sienna. Äh, hatte er gerade Anspruch auf sie erhoben? Den anderen Mann gewarnt, sich von ihr fernzuhalten? Freude wärmte ihr das Herz und verjagte die betäubende Kälte, die der Engel mitgebracht hatte.
Zacharel hielt ihr die breite, langfingrige Hand entgegen. „Ich werde dich beschützen“, versprach er feierlich.
„Kein Anfassen“, knurrte Paris und schubste den Engel weg von ihr. „Niemals.“
Keine Sekunde lang änderten sich Zacharels neutraler Gesichtsausdruck oder sein intensiver Blick.
Unbehaglich trat sie von einem Fuß auf den anderen und fragte sich, warum er sie beschützen wollte. Doch in seiner Stimme lag ein Klang der Wahrheit, dem sie sich nicht verschließen konnte. Irgendwie wusste sie, dass er alles in seiner Macht Stehende tun
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