Schwarzer Koks (German Edition)
einen Blick über die anderen Tische in dem Café nach Pariser Art. Drei dicke amerikanische Touristen saßen über einen zerknitterten Stadtplan gebeugt. Ein junges Paar zankte sich um die Reste eines Stücks Schokotorte. Ein grauhaariger Geschäftsmann hackte auf seinen Laptop ein, bellte dann etwas in sein Telefon.
»Stimmt was nicht?«, fragte Lucia.
»Alles in Ordnung.«
»Ich komme immer hier her.«
»Ah ja.«
»He, sehen Sie sich die Schlagzeile an.« Lucia griff nach einer Zeitung, die von einer hölzernen Schiene an der Wand hing. »Mexikos Präsident fordert Debatte über Legalisierung von Drogen.«
Nathan setzte sich zurecht, um einen besseren Blick auf den Eingang zu haben.
»Da wird sich noch was ändern. Warten Sie’s ab.« Sie überflog den Artikel.
»Langsam wird auch dem Letzten klar, dass der Krieg gegen Drogen ein Riesenfehler ist. Finden Sie nicht auch?«
»Wie lange geht das denn schon?«
»Was?«
»Na, diese Operation. Amonite Victor. Wie lang?«
»Sechs Monate. Ein Jahr. Vielleicht länger. Das hat mir keiner sagen können. Ich wusste bis vor ein paar Tagen noch nicht einmal, wer das ist.«
»Sind Sie sicher, dass sie das Sagen hat?«
»Ist nur eine Vermutung.« Sie senkte die Stimme. »Ich meine, es gehen tonnenweise Drogen nach Europa und in die USA, direkt unter der Nase von FBI, DEA, Interpol und weiß Gott wem sonst noch. Überlegen Sie sich das mal.«
Nathan nippte wieder an seinem Kaffee. Lucia war in Fleisch und Blut so leidenschaftlich wie auf dem Bildschirm.
»Was?«, fragte Lucia.
»Amonite hat dazu nicht genügend Köpfchen.«
»Da habe ich was anderes gehört.«
»Ich weiß, die Amerikaner haben hier eine Menge Einfluss, aber–«
»Sie ist keine Amerikanerin.«
»Ah ja.« Nathans Blick wanderte wieder zum Eingang. Dort stand ein kleiner Mann mit langem Haar und gestutztem Bart und sondierte die Menge. Jeder Muskel in Nathan verspannte sich.
»Na, jedenfalls nicht nur«, fuhr Lucia fort. »Sie ist auch Kolumbianerin. Sie ist in Amerika geboren, ihre Eltern stammen von hier.«
Der suchende Blick des Mannes richtete sich auf ihren Tisch. Er ging an die Bar und sprach mit der Kellnerin, die kichernd rot anlief.
»He, hören Sie eigentlich zu?«, fragte Lucia.
Nathan sah ihr in die Augen; sie waren haselnussbraun mit grünen Flecken, und jetzt blitzten sie vor Zorn. Er musste daran denken, wie sie auf George losgegangen war.
Er machte eine rollende Bewegung mit der Hand. »Machen Sie nur weiter.«
»Amonite ist dabei, ein Netz aufzubauen, gegen das das Medellín-Kartell sich wie eine Schülerbande ausnehmen wird.« Sie begann an den Fingern abzuzählen: »Die Crips und Bloods in Los Angeles, die Mexikaner von La Eme, die Jamaikaner, die Haitianer, die russische Mafia, die italienische Mafia, sogar die Yakuza.«
Der Geschäftsmann drehte sich nach ihr um.
Lucia senkte die Stimme wieder zu einem Flüstern. »Ein weltweites Netz.«
»Und in Kolumbien?«
»Das sage ich Ihnen doch jetzt schon seit einer halben Stunde. Die sind ungeheuer mächtig: Staat, Armee, Polizei.«
Der kleine Mann mit dem langen Haar setzte sich an einen Tisch in der Ecke und zog ein Buch aus der Tasche. Nathan war so nervös, dass er sich beherrschen musste, nicht auf den Mann loszugehen. Er faltete die Hände und wandte seine Aufmerksamkeit wieder Lucia zu. Mit einem merkwürdigen Funkeln in den Augen sah sie ihn an.
»Ich dachte, der Präsident hätte in der Politik aufgeräumt?«
»Die Sanierung des Kolonialviertels macht aus Bogotá nicht über Nacht Genf.«
»Haben Sie ein Beispiel?«
»Wofür?«
»Amonites Macht.«
»Sie sind nicht leicht zu überzeugen, was?« Lucia verschränkte die Arme. »Vor ein paar Tagen meinte ein Ministerialdirektor im Innenministerium, wir bräuchten eine Debatte über die Legalisierung von Drogen. Ich kannte ihn schon geraume Zeit. Ein anständiger Kerl in einem verdorbenen Ministerium.«
»Was ist passiert?«
»Niedergeschossen. Vor seinem Haus. Zwei Kugeln in den Kopf.«
»Woher wissen Sie, dass Amonite dahintersteckt?«
»Der Mann war eine meiner wichtigsten Quellen über ihre Verbindungen zur ASI«, sagte Lucia. »Er hatte eine umfangreiche Akte zusammengestellt. Und die wollte er mir aushändigen.«
»Wo ist sie denn jetzt?«
»Wahrscheinlich verbrannt, zusammen mit seinem Haus, seiner Frau und den beiden Kindern. Die Feuerwehr kam zu spät.« Lucia stieß ein hohles Lachen aus.
»Es hieß, sie seien im Verkehr stecken
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