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Schwarzer Koks (German Edition)

Schwarzer Koks (German Edition)

Titel: Schwarzer Koks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Grenton
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folgte Giovanni durch eine Hintertür und einen Flur entlang, in dem es nach Küche stank. Vor einer schwarz getünchten kahlen Wand blieben sie stehen. Giovanni drückte gegen einen Abschnitt der Wand. Sie wich zurück. Dahinter führten Stufen an eine starke Metalltür, die ihr wie der Eingang zu einem unterirdischen Bunker vorkam. Giovanni drehte an einem Griff und zog die Tür auf. Er knipste das Licht an.
    Amonite hatte von diesem geheimen Versteck der Front flüstern hören, hatte die Gerüchte über seine Opulenz als Legende abgetan, als einen Mythos, den ein weltweit operierender Drogenboss dazu nutzte, seinen Ruf auszubauen.
    Sie hatte sich getäuscht.
    Der Raum war riesig und luxuriöser als der Palast eines saudischen Scheichs. Fünf mit Diamanten besetzte goldene Kronleuchter hingen von der Decke. Eine Mischung aus modernen und klassischen Gemälden säumte die Wände, jedes von seiner eigenen Lampe bestrahlt. Wie eine sechsspurige Schnellstraße erstreckte sich ein gut fünfzehn Meter langer Tisch aus solidem tropischem Hartholz durch die Mitte des Raums. In den Ecken wanden sich griechische Statuen wie groteske Erscheinungen und warfen unheimliche Schatten gegen die blutrote Wand.
    Die Tür fiel hinter ihr zu. Sie fuhr herum. Giovanni war verschwunden. Mit einem Mal war sie nervös. Beobachtete man sie? Studierte man ihre Reaktion? Sollte das eine Prüfung sein?
    Sie trat auf eines der Gemälde zu und starrte auf den Krakel in der rechten unteren Ecke.
    »Das ist ein Picasso«, sagte eine nuschelnde Stimme hinter ihr. »Das ist seine Signatur.«
    Amonite erstarrte.
    »El Patrón mag Picasso«, fuhr die Stimme fort. »Obwohl Fernando Botero besser ist. Er ist der kolumbianischste aller Künstler. Zu ihrer Rechten, meine Liebe, das sind Boteros.«
    Mit rasendem Herzen blickte sie zur Seite. Eine Reihe von Gemälden zeigte geschmacklos feiste Menschen in verschiedenen Posen. Eines zeigte einen Mann auf den Knien, die Hände auf den Rücken gefesselt, eine rote Binde um die Augen, in einer Gefängniszelle.
    »Das da heißt Abu Ghraib. Ha! Die Gringos beschuldigen El Patrón der Folter und des Mords und sind dabei selbst nicht besser. Botero hat vierzehn Monate nur Bilder von amerikanischen Folterungen in Abu Ghraib gemalt.«
    Amonite nickte, wagte aber nicht, sich umzudrehen. Was wollte El Patrón damit sagen? Oder plauderte er nur so vor sich hin? Dafür war der Mann legendär.
    »Er ist von hier, Botero«, sagte El Patrón. »Ein guter Junge aus Medellín. Haben Sie das gewusst?«
    Amonite schüttelte den Kopf.
    »Die Gringos. Sie sind der Feind. Sie haben El Patrón zu vernichten versucht. Viele Male. Aber es wird ihnen nie gelingen.«
    Amonite schloss die Augen. Hunderte von Malen hatte sie sich vorgestellt, El Patrón persönlich zu treffen. Sie hatte einstudiert, was sie sagen, wie sie ihn beeindrucken wollte mit Selbstsicherheit und Loyalität. Und jetzt war ihr Kopf völlig leer.
    »Sie können sich umdrehen, Amonite.«
    Sie drehte sich um, langsam, den Kopf gesenkt, sah zwei auf Hochglanz polierte schwarze Schuhe auf der Fußstütze eines Rollstuhls. Ihre Handflächen waren so schweißnass wie damals, als das dicke dumme Mädchen sich wieder mal vor der ganzen Klasse dem Zorn des Lehrers ausgesetzt sah.
    »Sie können ruhig aufblicken.« El Patrón lachte kollernd. »Ich beiße nicht.«
    Sie hob den Blick. Und sofort wäre es ihr lieber gewesen, sie hätte es nicht getan. Die linke Hälfte von El Patróns Gesicht hing nach unten, leblos, wie aus geschmolzenem Wachs. Seine Lippen hingen schlaff herab, der eine Mundwinkel zu einer dauerhaften Grimasse verzogen. Die Haut an Backen und Stirn war lose und schlaff. Sein linkes Auge blickte willkürlich durch den Raum, als folgte es einer Fliege. Die rechte Gesichtshälfte war ein Patchwork von Haut und Narben.
    »Hat es Ihnen die Stimme verschlagen?«, fragte er.
    »Patrón…«
    »Derart Schlimmes haben Sie nicht erwartet, nicht wahr?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    Er schnippte mit den Fingern. Ein Bodyguard kam aus dem Schatten einer Tür hinter ihm und schob den Rollstuhl in ihre Richtung. Der Geruch von zu viel Kölnisch Wasser kam auf sie zu.
    »Es musste schnell gehen«, sagte El Patrón. »Entweder das hier oder der Tod.«
    Amonite hatte einen Kloß im Hals.
    El Patrón sah mit dem einen guten Auge zu ihr auf. Er nahm ihre Hand. Die seine war kalt und trocken.
    »Also, sagen Sie El Patrón alles«, sagte er.
    Amonite holte tief Luft. Ihn

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