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Schwarzer Mittwoch

Schwarzer Mittwoch

Titel: Schwarzer Mittwoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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sie sich an ihn, weil sie sich von ihm eine Art Lösung erwarteten. In diesem Fall hatte er es noch dazu mit einer ganzen Familie zu tun. Drei Kinder, hatte Munster gesagt. Die Ärmsten. Dem Aussehen nach war ihre Mutter eine nette Frau gewesen, ging ihm durch den Kopf.
    »Bereit?«
    Yvette nickte, woraufhin er dreimal kurz klopfte, ehe er die Tür öffnete.
    Der Vater saß auf einem Bürostuhl und drehte sich abwechselnd in die eine und die andere Richtung. Er trug noch seine dicke Winterjacke und hatte einen Baumwollschal um den Hals gebunden. Sein pausbäckiges Gesicht war rot gefleckt, als wäre er gerade erst aus der Kälte hereingekommen, und ständig blinzelte er, als hätte er Staub in den Augen, leckte sich dabei immer wieder über die Lippen und zupfte gleichzeitig am linken Ohrläppchen herum. Auf dem Boden zu seinen Füßen hatte sich die jüngere Tochter – diejenige, die Ruth Lennox gefunden hatte – in Fötushaltung zusammengerollt. Halb schluchzend, halb würgend rang sie nach Luft. Karlsson fand, dass sie sich anhörte wie ein verwundetes Tier. Viel sehen konnte er von ihr nicht, nur dass sie recht dünn war und braune Zöpfe hatte, die sich allmählich auflösten. Der Vater legte ihr hilflos eine Hand auf die Schulter, zog sie aber gleich wieder zurück. Die andere Tochter, die Karlsson auf fünfzehn oder sechzehn schätzte, saß ihnen gegenüber, die Beine unter den Körper gezogen und beide Arme um sich geschlungen, als versuchte sie sich zu wärmen und gleichzeitig so klein wie möglich zu machen. Sie hatte kastanienbraune Locken und das runde Gesicht ihres Vaters, mit vollen roten Lippen, blauen Augen und Sommersprossen. Ihre Wimperntusche war auf einer Seite verschmiert, wodurch sie auf eine theatralische Weise angemalt wirkte, fast wie ein Clown. Trotzdem erkannte Karlsson sofort, dass sie eine sinnliche Anziehungskraft besaß, der nicht einmal ihr ruiniertes Make-up und ihre extreme Blässe etwas anhaben konnten. Sie trug rötlich braune Shorts über einer schwarzen Strumpfhose und dazu ein T-Shirt mit einem Logo, das Karlsson nichts sagte. Seit er den Raum betreten hatte, starrte sie ihn unverwandt an und kaute dabei hektisch auf ihrer Unterlippe herum. Der Junge – fast schon ein junger Mann –, saß in der Ecke, die Knie bis unters Kinn gezogen, das Gesicht hinter einem dunkelblonden Haarschopf verborgen. Hin und wieder schauderte er heftig, hob aber nicht einmal den Kopf, als Karlsson sich vorstellte.
    »Es tut mir so leid«, sagte Karlsson. »Aber ich bin hier, um zu helfen, und muss deswegen ein paar Fragen stellen.«
    »Warum?«, flüsterte der Vater. »Warum sollte jemand den Wunsch haben, Ruth zu töten?«
    Woraufhin das ältere Mädchen plötzlich laut aufschluchzte.
    »Ihre jüngere Tochter hat sie gefunden«, fuhr Karlsson in sanftem Ton fort. »Ist das richtig?«
    »Dora, ja.« Lennox wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. »Wie soll sie das jemals verkraften?«
    »Mister Lennox«, mischte Yvette sich ein, »es gibt Fachleute, die Ihnen da helfen können.«
    »Russell. Kein Mensch nennt mich Mister Lennox.«
    »Wir müssen mit Dora über das sprechen, was sie gesehen hat.«
    Die kleine Gestalt auf dem Boden stieß ein gequältes Wimmern aus. Yvette wandte sich Hilfe suchend an Karlsson.
    »Dein Vater kann bei dem Gespräch dabei sein.« Karlsson beugte sich zu Dora hinunter. »Oder wenn du lieber mit einer Frau sprichst als mit einem Mann, dann …«
    »Sie will nicht«, fiel ihm die ältere Schwester ins Wort. »Haben Sie das denn nicht verstanden?«
    »Wie heißt du?«, fragte Karlsson.
    »Judith.«
    »Und wie alt bist du?«
    »Fünfzehn. Hilft Ihnen das irgendwie weiter?« Sie funkelte Karlsson mit ihren stechenden blauen Augen an.
    »Es ist eine schreckliche Tragödie«, gab er ihr zur Antwort, »aber wir müssen alle Einzelheiten in Erfahrung bringen. Nur dann können wir denjenigen finden, der das getan hat.«
    Ruckartig hob ihr Bruder den Kopf. Er rappelte sich hoch und eilte zur Tür. Er war groß und schlaksig und hatte die grauen Augen seiner Mutter.
    »Ist sie noch da?«, wandte er sich an Karlsson.
    »Wie bitte?«
    »Ted«, sagte Russell Lennox in beruhigendem Ton, während er auf seinen Sohn zuging und die Hand nach ihm ausstreckte, »ist schon gut, Ted.«
    »Meine Mutter«, stieß der Junge hervor, ohne den Blick von Karlsson abzuwenden, »ist sie noch da?«
    »Ja.«
    Ted riss die Tür auf und stürmte die Treppe hinunter. Karlsson rannte hinter ihm

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