Schwarzer Mittwoch
da?«
»Welche Freundin?«
»Doktor Klein«, antwortete er, »Frieda Klein. Ich habe fest damit gerechnet, sie hier beim Herumschnüffeln anzutreffen.«
Hal Bradshaw und Frieda hatten beide am selben Fall gearbeitet, wobei Frieda fast ums Leben gekommen wäre. Alles hatte damit begonnen, dass in der Wohnung einer geistig gestörten Frau namens Michelle Doyce eine nackte, bereits verwesende Männerleiche gefunden wurde. Bradshaw war davon überzeugt gewesen, dass Michelle Doyce den Mann getötet hatte. Frieda hingegen hatte aus den wirren Worten der Frau eine Art Sinn herausgehört, einen verworrenen Versuch, die Wahrheit zu sagen. Mühsam hatten sie und Karlsson Teilchen für Teilchen zusammengefügt und schließlich herausgefunden, wer der Mann war: ein Betrüger, der eine Spur von zahlreichen Opfern hinterlassen hatte, alle mit einem Rachemotiv. Friedas unorthodoxe, oft instinktive Arbeitsmethode und ihre manchmal fast zwanghaften, selbstzerstörerischen Verhaltensweisen hatten dazu geführt, dass sie im Rahmen der letzten Personalkürzungen als Beraterin der Polizei gestrichen worden war. Aber Bradshaw reichte das offenbar nicht. Sie hatte ihn blamiert, und nun wollte er ihr den Rest geben. Das alles ging Karlsson in diesem Moment durch den Kopf. Dann dachte er wieder an die Tote, die nur ein paar Schritte von ihnen entfernt lag, und an ihre trauernde Familie. Rasch schluckte er seine wütenden Worte hinunter.
»Doktor Klein arbeitet nicht mehr für uns.«
»Ach ja«, sagte Bradshaw, »stimmt. Gegen Ende des letzten Falls lief es nicht so gut für sie.«
»Kommt darauf an, was Sie unter ›gut‹ verstehen«, entgegnete Karlsson. »Immerhin wurden drei Mörder aus dem Verkehr gezogen.«
Bradshaw schnitt eine Grimasse.
»Wenn die Polizeipsychologin am Ende in eine Messerstecherei gerät und einen ganzen Monat auf der Intensivstation verbringt, ist das nicht gerade ein Paradebeispiel für einen erfolgreich gelösten Fall. Zumindest nicht nach meinen Maßstäben.«
Karlsson stand schon wieder kurz davor, dem Mann die Meinung zu sagen, rief sich aber erneut ins Gedächtnis, wo er sich befand.
»Das ist wohl kaum der richtige Ort für eine derartige Diskussion«, erwiderte er kühl. »Eine Mutter ist ermordet worden. Ihre Familie befindet sich oben.«
Bradshaw machte eine abwehrende Handbewegung.
»Sollen wir also mit dem Gerede aufhören und hineingehen?«
»Ich habe mit dem Gerede nicht angefangen.«
Bradshaw trat ins Wohnzimmer und holte tief Luft, als versuchte er auf diese Weise, das Aroma des Raums in sich aufzusaugen. Nachdem er sich einen Moment umgeblickt hatte, steuerte er auf die Leiche von Ruth Lennox zu, wobei er darauf achtete, nur ja nicht in eine Blutlache zu treten.
»Also, wissen Sie, blindlings in einen Tatort zu stolpern und sich dort auch noch überfallen zu lassen, gilt nicht gerade als die klassische Art, ein Verbrechen aufzuklären,« wandte er sich erneut an Karlsson.
»Reden wir jetzt wieder über Frieda?«
»Doktor Kleins Fehler ist, dass sie sich emotional in den Fall hineinziehen lässt«, fuhr Bradshaw fort. »Mir ist zu Ohren gekommen, dass sie sogar mit dem Mann geschlafen hat, der am Ende verhaftet wurde.«
»Sie hat nicht mit ihm geschlafen«, widersprach Karlsson kalt, »sondern nur gesellschaftlich mit ihm verkehrt. Weil sie ihn verdächtigte.«
Bradshaw musterte Karlsson mit einem halben Lächeln.
»Beunruhigt Sie die Vorstellung?«
»Ich werde Ihnen sagen, was mich beunruhigt«, entgegnete Karlsson. »Mich beunruhigt, dass Sie offenbar mit Frieda Klein konkurrieren.«
»Ich? Nein, keineswegs. Ich mache mir nur Sorgen um eine Kollegin, bei der wohl einiges aus dem Ruder gelaufen ist.« Er setzte ein mitfühlendes Lächeln auf. »Die Frau tut mir leid. Wie ich höre, leidet sie unter Depressionen.«
»Ich dachte, Sie wären gekommen, um einen Tatort in Augenschein zu nehmen. Wenn Sie über einen früheren Fall diskutieren wollen, sollten wir anderswohin gehen.«
Bradshaw schüttelte lediglich den Kopf.
»Finden Sie nicht auch, dass das hier etwas von einem Kunstwerk hat?«
»Nein, das finde ich nicht.«
»Wir müssen uns überlegen, was der Mörder damit zum Ausdruck bringen will. Was versucht er der Welt mitzuteilen?«
»Vielleicht sollte ich Sie einfach allein lassen«, meinte Karlsson.
»Ich schätze, Sie halten das Ganze nur für einen missglückten Einbruch.«
»Ich bemühe mich, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen«, widersprach Karlsson. »Wir
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