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Schwarzer Mond: Roman

Schwarzer Mond: Roman

Titel: Schwarzer Mond: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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dem verletzten Gewebe auftauchte und gegen seine Handfläche drückte.
    Brendan verspürte ein grenzenloses Triumphgefühl und hätte am liebsten den Kopf zurückgeworfen und in den chaotisch tobenden Sturm und in die Nacht gelacht, denn soeben war das viel größere Chaos und die Finsternis des Todes besiegt worden.
    Die Augen des Fremden waren jetzt völlig klar, und er betrachtete Brendan verwirrt; gleich darauf schien er ihn zu erkennen, und sein Gesicht verzerrte sich vor Angst.
    »Stefan«, murmelte er. »Vater Wycazik!«
    Den vertrauten und geliebten Namen aus dem Munde dieses Fremden zu hören, bestürzte Brendan und erfüllte ihn mit unerklärlicher Angst um seinen Vorgesetzten und väterlichen Freund.
    »Was? Was ist mit Vater Wycazik?«
    »Er braucht Ihre Hilfe mehr als ich. Schnell!«
    Im ersten Moment begriff Brendan nicht, was der Mann ihm sagte, doch dann wurde ihm mit Schrecken klar, dass es sich bei dem Fahrer des von Kugeln durchsiebten Jeeps um den Pfarrer von St. Bernadette handeln musste. Aber das war doch unmöglich! Wie hätte er hierher kommen sollen? Wann? Warum? Aus welchem Grunde?
    »Schnell!« wiederholte der Fremde. Brendan sprang auf, schob sich rücksichtslos zwischen dem Soldaten und Falkirk hindurch, glitt im Schnee aus, prallte gegen  die vordere Stoßstange des Jeeps. Er hielt sich mit einer Hand am Fahrzeug fest und schlitterte um den Wagen herum zur Fahrertür. Sie ließ sich nicht öffnen. Entweder war sie von innen verriegelt oder aber durch den heftigen Beschuss verklemmt. Er riss mit aller Kraft daran, aber sie bewegte sich nicht.
    Erst als er seinen Willen darauf konzentrierte, sie zu öffnen, flog sie trotz der verbogenen Scharniere quietschend und schleifend weit auf. Ein Körper, der schlaff über dem Lenkrad hing, begann langsam herauszugleiten.
    Brendan fing Vater Wycazik auf, zog ihn vom Fahrersitz und legte ihn auf die Schneedecke. Auf diese Seite des Jeeps fiel weniger Scheinwerferlicht, aber er sah im Halbdunkel die Augen des Pfarrers und hörte wie aus weiter Ferne seine eigene gequälte Stimme murmeln: »Lieber Gott, nein! O nein!«
    Vater Wycaziks starre, glasige Augen waren nicht mehr auf etwas in dieser Welt gerichtet, sondern schienen ins Jenseits zu blicken.
    »O bitte, nein!« Brendan sah auch die Furche einer Kugel, die vom rechten Augenwinkel zu einer Stelle dicht hinter dem Ohr führte. Das war keine tödliche Wunde, dafür aber die andere: ein grauenhaftes, klaffendes blutiges Loch am unteren Ende des Halses.
    Brendan legte seine zitternden Hände auf Stefan Wycaziks zerfetzten Hals. Er spürte deutlich, wie die Kraftfäden wieder aus ihm hervordrangen, Millionen Fäden verschiedener Farben und Stärken, allesamt unsichtbar und doch imstande, Kette und Schuss eines flexiblen Stoffes zu bilden - den Stoff des Lebens.
    Brendan versuchte mit aller Macht, psychisch in den Körper dieses Mannes einzudringen, den er so sehr liebte und verehrte, um die Fäden auf die Spindel wickeln zu können, um das zerrissene Lebensgewebe zu reparieren.
    Er erkannte jedoch bald, dass der wundersame Heilungsprozess eine Verbindung zwischen dem Heiler und dem zu Heilenden voraussetzte. Er erkannte, dass er den Prozess vorhin missverstanden hatte, dass er nicht sowohl das Spinnrad, das die Kraftfäden lieferte, als auch der Webstuhl war, der daraus den Lebensstoff wirkte. Den Webstuhl musste vielmehr der Patient stellen, er musste die von Brendan gelieferten Fäden lebensspendender Kraft weiterverarbeiten können. Die Heilung war auf seltsame Weise ein bilateraler Prozess. Und Stefan Wycazik konnte keinen Webstuhl des Lebens mehr liefern; er war innerhalb von Sekunden gestorben, war schon tot gewesen, als Brendan den Jeep erreicht hatte. Deshalb vermochten die unzähligen Fäden der Heilkraft das zerrissene Fleisch nicht mehr zu nähen.
    Brendan konnte die Verwundeten heilen und die Kranken kurieren, aber er konnte nicht vollbringen, was für Lazarus getan worden war.
    Ein lautes Schluchzen entrang sich ihm. Aber er wollte sich nicht von Verzweiflung überwältigen lassen. Er schüttelte heftig den Kopf, weigerte sich eigensinnig, seine Niederlage einzugestehen, drängte mühsam seine Tränen zurück und verdoppelte seine Anstrengungen, den Toten aufzuerwecken, obwohl er wusste, dass er dazu nicht ims tande war.
    Er nahm verschwommen wahr, dass er redete, aber erst nach einigen Minuten wurde ihm bewusst, dass er betete, so wie er früher unzählige Male gebetet hatte, wenn auch

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