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Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
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herausbekommen, wie ich eines zustande brachte, das so hell brannte wie eine Magnesiumfackel. Selbst durch meine geschlossenen Augenlider sah ich es grell leuchten. Tiger-Boys weit offenen, speziell an die Dunkelheit angepassten Augen bekam es sicher sehr schlecht.
    Er heulte auf, und ich sprang und traf ihn diesmal mit beiden Sohlen mittschiffs. Vermutlich wog er mehr als ich, aber Isaac Newton war auf meiner Seite, und wir donnerten gemeinsam die Treppe hinunter, nur dass er die volle Breitseite der Stufen abbekam und ich auf ihm mitsurfte. So zumindest die Theorie.
    Schneller und heftiger, als ich erwartet hätte, erreichten wir den unteren Absatz. Etwas unter mir knackte, und mein linkes Knie durchfuhr ein stechender Schmerz. Ich schrie, und er jaulte.
    »Hast recht«, sagte ich. »Macht mehr Spaß, wenn du hüpfst.«
    Da ich keine Handschellen oder auch nur ein Seil hatte, mit dem ich ihn hätte fesseln können, humpelte ich einfach so schnell wie möglich wieder die Treppe hinauf, wobei ich den stechenden Schmerz im Knie so gut es ging ignorierte. Hinter mir wimmerte Tiger-Boy jämmerlich undblieb vor allem, wo er war. Ich spurtete durch den Ausgang zum Dach, duckte mich unter einem ungeschickten Hieb von Peggy weg und knallte die Tür hinter mir zu.
    »Verzeihung«, sagte Peggy. »Ich dachte, das wäre er.«
    Ich betrachtete die drei. Sie hielten sich hilfesuchend aneinander fest und hatten den betäubten, starren Blick von Menschen nach Bombenanschlägen oder Massenkarambolagen auf der Autobahn.
    Ich zeigte nach Norden. »Klettert übers Geländer dort und dann übers Dach«, befahl ich. »Dahinten rechts ist eine Feuerleiter runter in die Duck Lane.« Die hatte ich in meiner Liebesnacht mit Simone bemerkt und als möglichen Zugang für Einbrecher registriert. Was, wenn auch sonst nichts, so doch immerhin beweist, dass ein Polizist immer im Dienst ist, selbst ohne Unterhose.
    Sie rührten sich nicht   – es war seltsam, wie langsam und träge sie reagierten. Als wären sie völlig zugedröhnt oder abgelenkt.
    »Los! Wir müssen hier weg.«
    »Seien Sie still«, sagte Peggy. »Wir unterhalten uns gerade mit jemandem.«
    Ich drehte mich um und fand mich Aug in Auge mit einem bösen Magier.

 
    Er stand lässig ans Geländer gelehnt am anderen Ende des Dachgartens. Er trug einen perfekt geschneiderten dunklen Anzug und eine helle Seidenkrawatte und hielt einen Spazierstock mit Perlmuttgriff in der Hand. Was sein Gesicht anging, hatten die Zeugen recht gehabt. Selbst als ich mich explizit darauf konzentrierte, stellte ich fest, dass ich das Glitzern seiner goldenen Manschettenknöpfe, das scharlachrote Dreieck seines Einstecktuches, alles Mögliche wahrnahm   – nur nicht sein Gesicht. Der Gesichtslose, kein Zweifel.
    »He«, schrie ich, denn Bobby bleibt Bobby. »Was machen Sie da?«
    »Verzeihen Sie«, sagte der Gesichtslose. »Ich möchte mich gern mit den Damen unterhalten, wenn es Ihnen nichts ausmacht.« Aus seiner snobistisch-hochgestochenen Redeweise sprach unmissverständlich Privatschule und Oxbridge, was zum Profil passte und ihn meiner proletarischen Seele ganz und gar nicht näherbrachte.
    »Sie können sich zuerst mit mir unterhalten«, sagte ich. »Oder gleich ins Krankenhaus gehen.«
    »Nun«, entgegnete der Gesichtslose, »Sie könnten auch einfach rasch vom Geländer springen.«
    Das klang so vernünftig, dass ich tatsächlich drei Schritte aufs Geländer zu machte, bevor ich mich wieder in den Griff bekam. Natürlich, das war
Seducere
, die Bezauberung, und sie hätte wohl auch gewirkt, hätte ich nicht das vergangene Jahr damit verbracht, mich regelmäßig gegen die Beeinflussungsversuche der verschiedensten Halbgötter und Naturgeister zur Wehr zu setzen. Nichts stärkt die Willenskraft so sehr wie die Aussicht, sonst als Lady Tyburns Haussklave zu enden. Ich ging trotzdem weiter auf das Geländer zu, weil man nicht leichtfertig einen Vorteil aus der Hand geben soll und ich außerdem neugierig war, was er von Simone und ihren Schwestern wollte.
    »Meine Damen«, sagte er, »mir ist bewusst, dass die Erkenntnis Ihrer wahren Natur ein gewisser Schock für Sie war und Sie jetzt ein wenig verwirrt sind.« Er sprach sehr leise, aber ich hörte ihn unnatürlich klar. Ob das zum
Seducere
gehörte? Irgendwann in der näheren Zukunft musste ich mich mal ausgiebig mit Nightingale darüber unterhalten.
    Da ich das Ende des Dachs erreicht hatte, drehte ich mich zur Seite und stellte einen Fuß aufs

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