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Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
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pflastern. Ich musste versuchen, nahe genug an ihn heranzukommen, um ihn auf herkömmliche Art plattzuklopfen.
    Ich war schon ganz nah an ihm dran, weniger als einen Meter entfernt, da drehte der Mistkerl sich plötzlich um, die Handfläche voraus, und ich rannte direkt in das hinein, womit er den Schornstein pulverisiert hatte. Es fühlte sich nicht an wie beispielsweise eine Plexiglaswand, sondern glitschig, ein wabbeliges Wegrutschen, wie wenn man zwei gleich gepolte Magnete aufeinander zuführt. Ich landete auf dem Rücken, und er kam auf mich zu. Ich wartete nicht ab, ob er nur seine Schadenfreude äußern oder mich abmurksen wollte, sondern packte mit Hilfe von
Impello
den Plastik-Gartentisch hinter dem Gesichtslosen und ließ ihn von hinten gegen seine Beine krachen. Er wurde nach vorn geschleudert, direkt in meine Füße hinein, die ich ihm mit Schwung entgegenstieß.
    »Scheiße!«, schrie er so laut, dass ich es selbst über den Hubschrauberlärm hörte.
    Ich war schon wieder auf den Beinen und schaffte es noch, einen sauberen Hieb in seinem Gesicht zu landen, da rammte mich von rechts etwas Pelziges, Fauchendes. Es war Tiger-Boy, dem es offenbar gelungen war, die Tür zum Dach einzutreten. Wir krachten gegen das Geländer,und hätte ich nicht mit der rechten Hand gerade noch eine Strebe packen können, ich wäre über Bord gegangen und in den Tod gestürzt. Ich krabbelte zurück auf den sicheren Boden, blickte hoch und sah, wie Tiger-Boy mit einer muskelbepackten Pranke ausholte. Statt Fingernägeln hatte er Krallen. Was zum Teufel macht man gegen jemanden mit Krallen?
    Das Geräusch des Hubschraubers und meine Angst waren so allbeherrschend, dass ich den Schuss nicht mitbekam. Ich sah nur, wie Tiger-Boys Kopf nach hinten geschleudert wurde und hinter ihm im grellen Scheinwerferlicht etwas Rotes durch die Luft sprühte.
    Die Kavallerie war da, ob in Form von Caffrey und seinen Ex-Paras oder eines Heckenschützen der CO19, der Kampftruppe der Met, wusste ich nicht. Ich formte meine Hand zur Pistole und zeigte damit auf den Gesichtslosen. Ich hoffte, der Schütze war einer von Caffreys Leuten, denn ein CO1 9-Beamter würde aufgrund eines solchen Handzeichens ohne vorschriftsmäßige Autorisierung wahrscheinlich nicht auf einen augenscheinlich unbewaffneten Zivilisten schießen. Jedenfalls nicht in neun von zehn Fällen.
    Der Gesichtslose war nicht dumm. Ihm war klar, dass sich das Blatt gewendet hatte. Er warf einen Feuerball, und ich duckte mich   – aber nicht ich war das Ziel. Der Ball schwirrte aufwärts, und im nächsten Moment ging der Suchscheinwerfer aus. Ich stürzte mich dorthin, wo der Gesichtslose zuletzt gestanden hatte, aber er war nicht mehr da, und als meine Augen sich wieder an das Dämmerlicht gewöhnt hatten, konnte ich ihn nirgendwo auf dem Dach entdecken. Von dem Hubschrauber kam einstotterndes, klapperndes Geräusch. So was hört man nicht gern von einem Hubschrauber, vor allem nicht von einem, der sich genau über dem eigenen Kopf befindet.
    Ich konnte nur zusehen, wie der Pilot verzweifelt versuchte, das Ding unter Kontrolle zu bekommen, während es schlingernd über die Straße ausscherte. Ich wäre besser schleunigst vom Dach verschwunden, aber ich starrte wie hypnotisiert hin   – es gibt kaum Gegenden mit größerer Menschendichte als Soho. Wenn der Hubschrauber hier abstürzte, würden die Todesopfer in die Hunderte gehen. Jetzt änderte sich die Motorfrequenz, als der Pilot in der Hoffnung, an Höhe zu gewinnen, Gas gab. Von der Straße drangen Rufe und Schreie herauf. Im Internet würde es heute Nacht nur so von Handyvideos verschiedener Mitbürger mit mehr Mediengeilheit als Verstand wimmeln.
    Als der Hubschrauber wieder auf mich zuschlingerte, dämmerte mir, dass es mit meinem Verstand auch nicht weit her war: Mein Kopf befand sich genau auf Höhe der Landekufen. Ich duckte mich, und sie fegten in einer Wolke aus überhitztem Öl über mich hinweg. Die Hubschrauberunterseite hatte überall kleine Dellen und Kratzer von fliegenden Steinchen und im Sensoraufsatz auf der Nase ein faustgroßes Loch, das mein Maskenmann hineingebrannt hatte. Dann stieg der Helikopter mit einem mühsamen Stöhnen höher und flog auf der Suche nach einem sicheren Landeplatz davon.
    Abgesehen von den näherkommenden Polizeisirenen schien es plötzlich sehr still zu sein. Ich setzte mich auf die Matratze, die für mich immer noch Simones und meine war, kam allmählich wieder zu Atem und wartete

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