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Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
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Vierzig-Watt-Birne aufflammen ließ.
    Unten ertönte ein lautes Krachen, das unverwechselbare zweifache Poltern einer Tür, die eingeschlagen wird und mit Schwung von der Wand zurückprallt. Mit diesem Schwung ist nicht zu spaßen. Es gibt genug Fälle, wo der Erste, der durch die Tür wollte, dank selbigem gleich wieder draußen auf dem Hinterteil landete.
    Ich war zu spät gekommen. Egal ob es Nightingale und Caffrey waren oder ein von Stephanopoulos geschickter bewaffneter Einsatztrupp der CO19, ich musste die Situation deeskalieren, bevor sie hier oben ankamen. Ich bat Simone und die anderen, in der Wohnung zu bleiben. Dann rief ich: »Polizei vor Ort. Keine Waffen, keine Geiseln. Ich wiederhole: Keine Waffen, keine Geiseln.«
    Ich hielt inne und horchte. Tief unten glaubte ich eineArt Kichern zu hören, dann sagte eine tiefe Stimme mit einem leichten Lispeln: »Exzellent.« Und dann hörte ich ganz deutlich, wie jemand sehr schnell die Treppen heraufrannte. Ich hielt die Hände mit den Handflächen nach vorn auf Brusthöhe vor mich, um zu zeigen, dass ich unbewaffnet war. Das fiel mir nicht leicht   – ein Grund, warum zur Ausbildung bei der Met spezielle Konfliktlösungsseminare gehören, besteht darin, dass wir Londoner Polizisten erst einmal unseren angeborenen Instinkt überwinden lernen müssen, dem anderen präventiv die Fresse zu polieren.
    Der Lichtknopf ploppte heraus, und es wurde stockdunkel. Ich tastete panisch nach dem blöden Ding, um es wieder einzuschalten   – schon bei Beleuchtung kann mit bewaffneten Leuten einiges schiefgehen, im Dunkeln erst recht.
    Die Schritte erreichten den Treppenabsatz unter mir, und eine Gestalt kam um die Ecke und sprang die letzten Stufen auf mich zu.
    Und mein Denken setzte aus. Egal was Sie gehört haben   – sehen ist nicht gleich glauben. Bevor Ihr Gehirn sich bemüßigt, Ihr Bewusstsein darüber zu informieren, was zum Henker um Sie herum vor sich geht, leistet es schon eine Menge Interpretationsarbeit. Sieht man sich plötzlich einer unvertrauten Sache gegenüber   – einem entstellten menschlichen Gesicht, einem Auto, das durch die Luft auf einen zufliegt, oder jemandem, der irgendwie menschlich aussieht, aber nicht
ganz
– dann kann es länger dauern, bis unser Verstand reagiert, manchmal sogar einige Sekunden. Und diese Sekunden können entscheidend sein.
    Zum Beispiel, wenn eine Chimäre mit Karacho die Treppe herauf auf einen zustürmt.
    Er war männlich, muskulös, und sein nackter Oberkörper war mit kurzem rotbraunem Fell bedeckt. Sein Kopfhaar war schwarz, lang und zottig. Seine Nase war ganz unmöglich, schwarz und glänzend wie die einer Katze. Während er die Treppe heraufsprang, riss er das Maul unwahrscheinlich weit auf, was einen ungehinderten Blick auf seine scharfen weißen Zähne und eine heraushängende rosa Zunge erlaubte. All das sickerte erst in mein Bewusstsein, als er schon fast über mir war, und ich hatte nur noch Zeit, zurückzustolpern und nach ihm zu treten.
    Doc Martens, verstärkte Lederstiefel mit patentierten säureresistenten Sohlen und Stahlkappen, von Polizisten und Skinheads allenthalben empfohlen, wenn es wirklich, ausdrücklich erforderlich ist, jemanden mit einem Tritt rückwärts eine Treppe hinunterzubefördern.
    Wie vorherzusehen, drehte Tiger-Boy sich im Fall wie eine Katze und landete geduckt auf allen vieren auf dem unteren Treppenabsatz.
    »Rauf aufs Dach!«, brüllte ich durch die Wohnungstür.
    Tiger-Boy nahm sich einen Moment Zeit, um den Kopf zu schütteln und mir ein breites Katzengrinsen zu schenken. Seine Augen waren schön   – bernsteinfarben, geschlitzte Pupillen, unverkennbar darauf optimiert, bei Nacht zu jagen.
    Hinter mir öffnete sich die Tür, und Peggy und Simone zogen die noch immer schluchzende Cherie aus der Wohnung und die Treppe hinauf aufs Dach. Ich wagte nicht, den Blick von Tiger-Boy abzuwenden; er lauerte nur darauf, dass ich einen Fehler machte.
    »Wer um Gottes willen ist das?«, fragte Simone.
    »Den willst du nicht kennenlernen«, gab ich zurück.
    Tiger-Boy fauchte. Ich sah, wie sein Schwanz zuckte, und fragte mich unwillkürlich, ob er sich dafür hinten ein Loch in die Hose geschnitten hatte.
    »Kleines Mäuschen«, lispelte Tiger-Boy. »Hüpf doch ein bisschen. Macht mehr Spaß, wenn du hüpfst.«
    Der Lichtschalter sprang heraus, es wurde dunkel, und Tiger-Boy schnellte auf mich zu.
    Ich klatschte ihm ein Werlicht ins Gesicht.
    Nach langem Üben hatte ich

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