Schwarzer Nerz auf zarter Haut
meine Schuld, Gnädigste. Ich bin in Ihren Ellenbogen gelaufen …«
»So kann man es auch sehen.« Sybilla wartete, bis Sepkinow und Hopkins außer Hörweite waren. »Alles in Ordnung?« fragte sie leise.
»Alles. Die Mappe ist im Tresor.«
»Jetzt müssen Sie mich einladen zu einem Drink und den Herren vorstellen. Es muß sich alles so entwickeln, wie man es an Bord erwartet. Flirten Sie mit mir. Spielen Sie verliebt. Lassen Sie die Dinge sich so entwickeln, daß ich ständig – so weit es die Moral gestattet – bei Ihnen bin. Und selbst die Moral können wir anknabbern … lassen Sie morgen schon durchblicken, daß ich Ihre Kabine von innen kenne.«
»Ihr Ruf, Sybilla.«
»Für Volk und Vaterland geopfert.« Sie lachte laut. Hopkins und Graf Sepkinow drehten sich um. Frauenlachen ist wie ein Magnet. »Los. Nun zeigen Sie Ihre komödiantische Ader!« Sybilla legte den Nerz um ihre nackte, schöne Schulter, und Hergarten half ihr dabei galant. »Ziehen Sie eine Schau ab, als seien Sie von der Liebe wie vom Blitz getroffen.«
Und Franz Hergarten tat es.
Mit starren, leeren Augen schlich sich Lisa zurück zum Lift, fuhr hinunter zum Oberdeck und wankte in ihre Kabine. Die alte Dame schlief schon. Sie sah wie eine Mumie aus.
In der Dunkelheit setzte sich Lisa an den Tisch und faltete die Hände.
Wen soll ich töten? dachte sie.
Ihn oder sie?
Was sie mir antun, ist unerträglich …
Die Unruhe in ihr wurde immer größer.
Ein Kribbeln lief durch ihren Körper, ein heißer Strom von Eifersucht, Angst, Rache, Haß, Enttäuschung und unsagbarem Schmerz, der es ihr unmöglich machte, ruhig sitzen zu bleiben und klar zu denken. So begann sie herumzulaufen, von der Tür zum Bullauge, vom Schreibtisch zu den Etagenbetten, hin und her vor dem langen Spiegel der Frisierkommode, bis sie ihr eigenes Spiegelbild nicht mehr sehen konnte, diese leeren Augen, die zitternden Lippen, die zuckenden Wangen. Wie häßlich sehe ich jetzt aus, schrie es in ihr. Und wie schön, wie unbeschreiblich schön ist sie … sie … sie …
Sie lehnte sich gegen die getäfelte Wand und würgte. Ihr war so übel, so, wie man es immer beschreibt, wenn jemand einen Herzinfarkt bekommt. Zuerst ist einem schlecht, dann kommt ein Schwindelgefühl, dann flattert das Herz, die Welt wird nebelhaft …
Nein! Nein! Sie stieß sich von der Wand ab, rannte zum Bullauge, als könne von dort Luft kommen, breitete die Arme aus und atmete tief, wie eine Gewürgte, die der Umklammerung entronnen ist.
So leicht nicht, dachte sie. O nein, so leicht mache ich es euch nicht. Umfallen und weg sein, und der Weg ist frei für euch? Wie schön wäre das, nicht wahr? Wie einfach! Wie elegant, würdest du sagen, Franz! O nein! Nein!
Sie warf einen leichten Mantel über, verließ die Kabine und rannte den Gang hinab zu den Lifts. Dort traf sie einen Steward, der ein Tablett mit Sekt trug.
»Wo ist der Schiffsarzt?« sagte Lisa atemlos. »Wie komme ich zum Hospital?«
»Madame ist schlecht?« Der Steward stellte das Tablett auf einem der Tische im Vorraum ab. »Ich rufe sofort nach unten.«
»O danke. Danke. Ich finde es schon selbst. Wie komme ich …«
»Mit dem Lift zum Hauptdeck, Madame. Direkt gegenüber ist der Eingang zur Aufnahme.« Der Steward sah in die flatternden Augen Lisas. »Soll ich nicht lieber doch …«
»Nein! Es geht schon.« Lisa versuchte ein Lächeln, aber es wurde ein Grinsen. Sie wartete, bis der Lift kam, der Steward sah ihr nach und wartete, bis sich die automatische Tür schloß. Sie sieht irgendwie verrückt aus, dachte er. Diese Augen! Na ja, soll sich der Arzt damit befassen. Schiffsärzte sind gedrillt auf hysterische Weiber. Sie sind meistens seine Hauptkunden an Bord.
Er nahm das Tablett und trug den Sekt zu Kabine 14.
Hochzeitsreisende. Nettes, junges Paar. Schüchtern, als schämten sie sich, daß sie nun in einer Kabine nächtigten.
Der Steward lächelte still. Das ganze Schiff war praktisch voller Hochzeitsreisender. Man spürte es überall; es war eine Fröhlichkeit an Bord, die in den Stahlwänden widerklang.
Jungfernfahrt der ›Ozeanic‹.
So etwas erlebt man in einer Generation nur einmal.
Dr. Holger Dahl kam gerade aus dem Labor, wo er eine Urinuntersuchung abgeschlossen hatte. Passagier von Nr. 539, A-Deck, klagte über Nierenschmerzen. Die Urinprobe war positiv. Eine Nierenentzündung bahnte sich an.
Nr. 539, ein Oberstudienrat i. R., würde der erste Patient im Bordhospital sein. Von der Überfahrt nach
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