Schwarzer Nerz auf zarter Haut
zweiten entfliehend.
Lisa hatte ihre schwarze Perücke hinten zu einem langen, dicken Zopf flechten lassen. In das Haar war eine Perlenkette eingeflochten. Kleine weiße Blüten – Graf Sepkinow identifizierte sie als Zwergorchideen – leuchteten dazwischen, als wüchsen sie aus dem glänzenden, langen Zopf. Das Gesicht war braun geschminkt, die Augen durch Ummalungen noch betont, der Mund eine besonders lockende, rote Blüte. Von den Brüsten an, deren Ansatz frei lag, floß ein Abendkleid im griechischen Stil bis zu den silbernen Schuhen. Ein Traum in Weiß, unterbrochen an der linken Schulter durch eine große, goldene Blüte, eine Stickerei aus echten Goldfäden. Über dem Arm, nicht umgeworfen, trug Lisa eine Stola aus blausilbernem Chinchilla. Dr. Dahl, den sie untergefaßt hatte, wirkte neben ihr in seiner weißen Uniform mit den goldenen Armstreifen wie die einzig mögliche, logische Ergänzung.
Es war ein Auftritt wie ein Paukenschlag. Sybilla und Lisa sahen sich über die weite Entfernung des Saales an. Zwischen ihnen lag die kreisrunde Tanzfläche, saß das Orchester Juan Fernandez, standen Gruppen von Herren und Damen in großer Toilette.
Keine Entfernung, die sie trennen könnte. Nichts Unüberwindliches. Ein paar Meter nur. Fünfzehn Schritte von jeder Seite. Ein Kampfplatz wie ein Boxring.
»Wer ist das?« fragte Sybilla und legte die Hand auf Hergartens Arm. Dr. Hergarten blinzelte mit seinen etwas kurzsichtigen Augen.
»Keine Ahnung. Ist uns aber schon oft auf dem Schiff begegnet. Vielleicht die Frau des Schiffsarztes?«
»Er ist unverheiratet.«
»Woher wissen Sie das?«
»Ich habe mir eine Liste aller Besatzungsmitglieder geben lassen. Spione schlüpfen gern in Uniformen von Stewards, Schiffsärzten, Köchen und sogar Heizern.«
»Schon wieder dieser Kram. Sybilla, wir sind auf einem Ball! Tanzen wir? Das ist gerade ein Foxtrott, den kann ich. Bei den modernen Popowackeltänzen passe ich.«
»Warten wir noch, bitte.« Sybilla beobachtete Lisa, wie sie an den reservierten Tisch auf der anderen Seite ging, und Dr. Dahl ihr den Sessel zuschob. Dann kam der Kapitän, küßte Sybilla die Hand und nannte sie die Königin des Abends. Dann ging er um die Tanzfläche, begrüßte Lisa ebenso und sagte das gleiche. Der Kapitän eines großen Schiffes muß auch ein großer Diplomat sein.
Franz Hergarten sah ebenfalls zu Lisa hinüber. Daß er sie erkannte, war völlig unmöglich, solange er nicht mit ihr sprach. Lisa hatte sich selbst im Spiegel nicht wiedererkannt. Wie künstliche Haare und ein bißchen Schminke einen Menschen verändern können, dachte sie. Man könnte philosophisch werden: Wie ist dein wahres Gesicht?
Sybilla stieß Hergarten leicht an. Er schrak zusammen und fuhr herum. Die Betrachtung der schönen Frau ihm gegenüber hatte ihn völlig abwesend gemacht.
»Sie fasziniert Sie, nicht wahr?« sagte Sybilla. Im Unterton schwang Kränkung. Hergarten schüttelte den Kopf.
»Aber nein, Sybilla.« Er nahm ihre Hand und küßte die Innenfläche. »Ein Mann an Ihrer Seite wäre ein Idiot, wenn er nach anderen Frauen schielte.«
»Sie lügen galant, aber bei mir nützt es wenig. Ich sehe doch, daß Ihr Blick an dieser Frau hängt. Was ist es denn? Ehrlich!« Sie streichelte das Sektglas vor sich mit beiden Händen und sah Hergarten fordernd an. »Das Haar? Der sinnliche Mund? Die hochangesetzten Brüste? Die Taille? Die langen Beine, die man nur ahnen kann in diesem Kleid? Das Exotische an ihr? Das in griechischem Weiß gebändigte Raubtier? Gestehen Sie …«
Hergarten lächelte. »Sie werden mich jetzt für einen profanen Lümmel halten, Sybilla: Nichts von alledem. Das alles haben Sie auch, und in meinen Augen vollkommener. Es ist etwas anderes, was mich einen Augenblick nachdenklich machte. Ich wurde gezwungen, an zu Hause zu denken.«
»Ach! Wieso?«
»Unsere Dame gegenüber hat fast den gleichen Chinchillapelz wie meine Frau. Ich schenkte ihn ihr zur Hochzeit. Er war sündhaft teuer.« Hergarten legte seine Hand auf den Arm Sybillas. »Das war alles. Nur ein Gedanke in die Ferne. Ist schon vorbei …« Er lächelte um Vergebung. »Wollen wir jetzt tanzen?«
»Ja!« Sybilla sprang auf. Ein Tango. »Ich glaube, jetzt muß ich Sie auf andere Gedanken bringen.«
Ulrich Renner hatte mit Margret Goltz einen Stammplatz an der Bar belegt. Jeden modernen Tanz machten sie mit, und Margret tanzte gut, leicht, voll Temperament, das viel für den weiteren Abend erwarten ließ. Sie
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