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Schwarzer Nerz auf zarter Haut

Schwarzer Nerz auf zarter Haut

Titel: Schwarzer Nerz auf zarter Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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die Schiffssirenen. Die Glocken von der Brücke schallten über die Decks. In den Festsälen begannen die Orchester mit einem Tusch.
    Kapitän Selbach begrüßte zuerst die Gäste im Helgoland-Restaurant und eröffnete den Jungfernball der ›Ozeanic‹ mit einem Ehrentanz mit der ältesten Reisenden. Der Oberzahlmeister hatte sie aus der Passagierliste ausgesucht. Es war die Kabinenmitbewohnerin von Lisa Hergarten, die alte, etwas versponnene, zwischen Essen und Gebet in der Bordkapelle hin- und herlaufende Dame, die ihre letzte Fahrt antrat, um bei ihrem Sohn in Amerika zu sterben.
    Dann fuhr Kapitän Selbach hinauf zum Salon-Deck zu den exklusiven Passagieren. Im Helgoland-Restaurant ließ er den I. Offizier, den I. Zahlmeister und den I. Ingenieur zurück. Der II. Funkoffizier machte die Ansage. Da er auch Amateurzauberer war und in zehn Minuten schon fünf Brieftaschen aus den Smokings der Herren geholt hatte, kam schnell Stimmung auf.
    Im vornehmen Hamburg-Salon wurde Kapitän Selbach mit der würdigen Ruhe erwartet, die Reichtum ausstrahlt. Man wußte bereits, wer für den Ehrentanz ausersehen war: Lady Anne. Sie benahm sich, sehr zum Widerwillen von Sir Surtess, wie ein junges Mädchen vor dem ersten Kuß. Sie war unruhig, zupfte an ihrem Abendkleid herum, gab zerfahrene Antworten und glühte im Gesicht. Als Kapitän Selbach eintrat, begrüßt von einem Tusch des Schau-Orchesters Juan Fernandez, begann sie, auf den Beinen zu wippen. Sir Surtess sah sie würdevoll an.
    »Mußt du mal, Liebes?« fragte er leise. Lady Anne wurde feuerrot, warf einen tödlichen Blick auf ihren Mann und atmete tief auf, als der erste Walzer erklang und Kapitän Selbach, ein herrliches Bild von einem See-Offizier, auf sie zukam und sich zackig verbeugte.
    Ja, und dann kamen sie, und der Jungfernball erhielt eine besondere Note.
    Sie kamen von zwei verschiedenen Seiten: vom Lift des Alster-Clubs und vom Lift der Bord-Bibliothek. Als habe ein Regisseur einen raffinierten Gag erdacht, betraten sie im gleichen Moment den Festsaal.
    Graf Sepkinow lächelte breit und strich sich über den langen, silberweißen Bart. »Krimhild und Brunhild«, sagte er genußvoll. »Der Kampf der Königinnen kann beginnen …«
    Sybilla Odenthal, am Arm von Franz Hergarten, der einen mitternachtsblauen Smoking mit schwarzem Seidenschalkragen trug, war eine Erscheinung, die im ersten Augenblick blendete. Ihren schlanken und doch üppigen Körper umschloß ein enges, langes, ganz schlichtes Abendkleid. Das war das Raffinierte, denn dieses Kleid bestand aus einem metallisch schimmernden Goldstoff, der dem Körper den Eindruck verlieh, als sei er in flüssiges, echtes Gold getaucht worden. Die Schultern waren völlig frei, kein Schmuck unterbrach den Goldschimmer des Kleides. Nur dort, wo man im tiefen Ausschnitt den Einschnitt des Busens sah, stak einsam, aber deshalb um so wirkungsvoller, eine große, eben erst erblühte, blutrote Rose. Das kastanienbraune Haar mit dem Rotschimmer trug Sybilla nach hinten zusammengebunden. Über dem linken Ohr stak ebenfalls eine Rose, aber ein kleiner, blasser, ein Tupfer Farbe nur.
    Das alles wäre an sich schon atemberaubend gewesen, wenn nicht auf den nackten, zarten, glatten Schultern, ganz lose herumgelegt, eine traumhaft glänzende, tiefschwarze, lange Nerzstola alle Blicke auf sich gezogen hätte. Die in ihrem Rollstuhl sitzende gelähmte Irene Michaelsen aus Frankfurt, Witwe eines der größten deutschen Pelzhändler, beugte sich zu Lady Anne vor, die, noch vom Ehrentanz erhitzt, neben ihr stand.
    »Ein unwahrscheinliches Stück! Ich habe solche schwarzen Nerze nur einmal bei einer Auktion in London gesehen. Sie wurden in die Schweiz verkauft …«
    Ruhig, als sehe sie die Blicke gar nicht, lächelnd und sich ein wenig an Franz Hergarten schmiegend, ging Sybilla zu ihrem reservierten Tisch. Der Obersteward rückte ihr eigenhändig das Sesselchen zurecht. Kapitän Selbach wollte zu ihr laufen und sie begrüßen. Da wandten sich die Köpfe zum anderen Eingang.
    Dr. Dahl hatte geahnt, daß der Auftritt Lisa Arthbergs (er kannte ja nur diesen Namen) eine Sensation werden würde. Jetzt, an der Schwelle zum Hamburg-Salon, wußte er, daß es mehr werden würde: Ein unblutiger, aber deswegen um so grausamerer Kampf um die Krone des Abends. Der Jungfernball konnte nur eine Königin haben – hier aber traten sich zwei Frauen gegenüber, bei denen jeder Schiedsrichter gepaßt hätte und davongelaufen wäre, der Rache der

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