Schwarzer Nerz auf zarter Haut
in den Gehirnwindungen. – Aber diese Ruhe täuschte.
Unter Deck war etwas geschehen, das niemand wußte.
Sybilla Odenthal hatte Franz Hergarten aus seiner Kabine abgeholt und war mit ihm hinuntergefahren zu ihrer Kabine 106.
»Ich muß dir was zeigen«, sagte sie, als er sie erwartungsvoll ansah. Sie schloß die Tür von innen ab und schüttelte den Kopf, als sie seinen Blick über ihren Körper gleiten sah.
»Nicht das«, sagte sie mit einem Unterton des Bedauerns. »Der Alltag ist angebrochen.«
Sie ging zur Schublade, zog sie auf, faßte mit spitzen Fingern eine Krokodilledertasche und hob sie auf den Tisch. Es war ihre tägliche Handtasche, in der sie ihren Paß, ihr Geld und ihre Schiffskarte verwahrte. Ihre Puderdose lag darin, ein Lippenstift, zwei Taschentücher, ein Notizbuch, ein goldener Kugelschreiber, ein doppelter Spiegel.
Sie ließ die Tasche liegen, zog Handschuhe an, entnahm ihrer Kosmetiktasche zwei Scheren und nestelte mit ihnen den Verschluß der Krokotasche auf.
Als die Tasche aufklappte, trat sie etwas zurück und klopfte auf das Leder.
Mit starren Augen sah Hergarten, wie sich etwas in der Tasche bewegte. Dann glitt ein schmaler, platter Kopf hervor, eine gespaltene Zunge schnellte durch die Luft, ein feines Zischen ertönte.
Ein Schlangenkopf blinzelte ins Licht, dann folgte der schuppige, glänzende Leib nach und schlängelte sich aus der Tasche hinaus über den Tisch. Der flache, dreieckige Kopf pendelte hin und her wie nach einer unhörbaren Musik.
»Eine südamerikanische Sumpfviper«, sagte Sybilla in die unheimliche Stille. Sie streckte eine der Scheren dem Kopf entgegen – sofort fuhr die Schlange zischend vor und biß in das blinkende Metall. Sie schien hungrig und durstig zu sein. »Ihr Biß ist absolut tödlich. Es gibt bis heute noch kein Serum gegen ihr Gift. Gestern abend lag sie noch nicht in meiner Tasche.«
Es gibt Augenblicke im Leben, in denen rätselhafte Ereignisse lähmend wirken und den Menschen zu starrem Staunen zwingen. Nicht anders erging es Franz Hergarten, als er die sich wiegende Schlange mit dem dreieckigen Kopf vor sich sah, ihr gefährliches Zischen hörte und Sybilla mit den beiden Scheren in den Händen in respektvoller Entfernung neben dem Tisch stand.
»Wie … wie hast du das gemerkt?« fragte er stockend.
»Ich wollte wie immer meinen Lippenstift aus der Tasche holen. Als ich sie aus der Schublade nahm, fühlte ich, daß sich etwas in ihr bewegte. Ein Glück, daß ich nicht sofort das Schloß geöffnet habe, denn damit hatte derjenige, der mir die Viper in die Tasche praktizierte, gerechnet. Jede Frau, die ihre Handtasche öffnet, greift sofort zum Schloß und öffnet dann den Bügel. In diesem Augenblick wäre die Viper herausgeschnellt und hätte mich in das Handgelenk gebissen. Der Plan war gut … ich wäre jetzt schon tot.«
»So ein gemeiner Hund!« sagte Hergarten dumpf.
»Wer sagt, daß es ein Mann war?« Sybilla beobachtete die Schlange. Sie hatte sich beruhigt. Mit dem flachen Kopf lag sie nun auf der Tischplatte, aber ihre kleinen, runden, schwarzen Augen sahen unverwandt Sybilla an. Die gespaltene Zunge huschte ab und zu aus dem Maul und glitt über den Tisch. »Es beweist nur eines: Der Kampf hat begonnen. Die Durchsuchung deiner Kabine war erfolglos, und es gibt mehrere, die an deiner Aktentasche interessiert sind.«
»Mehrere? Wieso?« Hergarten wagte es nicht, einen Schritt vorwärts zu machen. Er war froh, daß die Schlange so ruhig war. Sybilla trat langsam zurück und zog dabei an den Henkeln ihre Tasche vom Tisch. Der Kopf der Schlange ruckte zur Seite, die Zunge spielte über die polierte Platte.
Es ist besser, er erfährt nichts von dem Besuch in meiner Kabine, dachte Sybilla. Zu unserem Geschäft gehören starke Nerven … er hat sie nicht. Er ist ein sensibler Wissenschaftler, er hat mit seinem Elektronium eine weltverändernde Erfindung gemacht und ist damit in die Schußlinie der Geheimdienste aller Großmächte geraten. Er ahnt gar nicht, in welcher Gefahr er sich befindet. Sein Glaube an das Gute und Vornehme ist so groß, daß er nicht verstehen wird, wieso er mit seiner Erfindung nur eine kaltblütige Jagd nach seiner Formel heraufbeschworen hat, bei der die Beteiligten auch vor Mord nicht zurückschrecken.
Sie nahm die Tasche, schüttelte den Inhalt auf das Bett und griff nach dem Zettel, der zwischen Puderdosen, Lippenstift, Kamm, Zigarettenetui und Taschentuch lag.
»Sieh an«, meinte sie. »Eine
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