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Schwarzer Nerz auf zarter Haut

Schwarzer Nerz auf zarter Haut

Titel: Schwarzer Nerz auf zarter Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zu Hause vor dem Fernseher und sehnt sich nach Ihnen. Macht sich Sorgen und hofft auf Ihre baldige Rückkehr … mit dem Flugzeug. Mit dem Flugzeug wirst du ja wohl zurückkommen, nicht wahr? Aber wo wird dann deine Geliebte sein? Wird sie mitfliegen? Wirst du vor der Landung deiner Hure einen Kuß geben und dann aus dem Flugzeug steigen, heuchlerisch die Arme ausbreiten, mich an dich ziehen und mich küssen? Oh, ich weiß sogar, was du sagen wirst: »Endlich wieder bei dir, Liebling! Hast du mir gefehlt! Amerika ist trostlos ohne dich …« Und hinter uns, während wir uns küssen, steigt sie die Gangway herunter und lächelt mich mitleidig an. Sie, deine Geliebte, der falsche Engel mit dem schwarzen Nerz.
    Du Heuchler! Du Lump! Du … du Schuft …
    Sie blätterte sinnlos in dem dicken Telefonbuch von New York und sah ihn aus den Augenwinkeln an. Dr. Hergarten hatte seine Zigarette zu Ende geraucht und blickte zu ihr hin. Lisa neigte den Kopf tiefer über die Spalten mit Namen.
    Diesen Blick habe ich geliebt, dachte sie. Diesen tiefen, alles durchdringenden, die Seele offenlegenden Blick. O Gott, gib mir die Kraft, nicht nach meiner Tasche zu greifen und die Pistole herauszureißen.
    Was wirst du mir sagen am Telefon? Was willst du lügen? »Ich rufe aus New York an, Schätzchen. Adresse geheim! Aber sei ruhig, nur noch wenige Tage, und ich bin wieder bei dir …«
    Und die einsame Frau bei Frankfurt soll es glauben, und sie hätte es auch geglaubt. Aber diese Frau ist nicht am Fernseher, und sie trinkt kein Glas Wein und denkt an dich. Nein, diese Frau hockt neben dir auf einem Schemel, das Telefonbuch von New York vor sich und sieht dich an. Du erkennst sie nicht? Die langen, schwarzen Haare, die angeklebten Wimpern, der größer gezogene Mund, die umränderten Augen – das ist nicht deine brave Lisa, nicht wahr?
    In diesem Augenblick fiel ihr ein, daß die Verbindung ja gar nicht zustande kommen konnte. Das Hausmädchen hatte ihren Jahresurlaub bekommen, niemand war zu Hause. Wo mochte Lisa Hergarten sein, jetzt, kurz vor zehn Uhr abends …
    »Deutschland, Herr Doktor! Kabine 1. Heben Sie ab!«
    Hergarten verschwand in der Telefonzelle. Der Zahlmeister drückte einen Hebel herunter, hörte im Hörer mit und nickte Hergarten mehrmals zu. Dann legte er den Hörer zurück. Die Verbindung nach Deutschland war klar.
    Lisa warf den Kopf in den Nacken. Sie sah, wie Hergarten in der Telefonzelle sprach, sich mit nervösen Fingern eine Zigarette anzündete.
    Ja, lügen kostet Nerven, dachte Lisa böse. Auch telefonische Lügen. Aber es wird keiner an den Apparat kommen. Du kannst dir die Worte sparen; du brauchst später noch genug davon, und bei jedem werde ich auflachen! Lüge! Lüge! Lüge!
    In Kabine 106 wartet dein Liebchen auf dich …
    In der Zelle hängte Hergarten ein und kam wieder heraus. »Fehlanzeige!«
    »Die Verbindung war aber da, Herr Doktor.« Der Zahlmeister sah auf seinen Schaltkasten.
    »Aber meine Frau nicht!« Hergarten lachte etwas verlegen. »Wird im Kino sein oder im Theater. Wir haben ein Abonnement.«
    Für freitags, dachte Lisa. Du weißt es ganz genau. Schon wieder lügst du. Was wolltest du mir sagen? An wen hast du überhaupt geschrieben? Wer sollte deinen ersten Brief bekommen, der in New York noch im Hafenpostamt aufgegeben wird?
    Sie zog das Kuvert etwas unter dem Telefonbuch hervor, während Hergarten einige Briefumschläge mit dem Sonderstempel der Jungfernfahrt der ›Ozeanic‹ kaufte.
    Frau Lisa Hergarten, las sie. Ihr Herz setzte einen Moment aus. Sie ließ das Telefonbuch wieder über das Kuvert fallen und stützte den Kopf in beide Hände.
    An mich. Ein Brief voller Täuschungen. Kein Wort wird darin stehen von der ›Ozeanic‹. Ich habe einen guten Flug gehabt, wird er schreiben. Klares Wetter. Die Polroute ist herrlich. Ich habe mir Labrador ganz anders vorgestellt. Aus der Luft sieht es aus wie ein Teil des Mondes …
    Lügen! Nur Lügen!
    Sie nahm den Brief und ließ ihn in ihre Tasche gleiten. Dann klappte sie das Buch zu. Hergarten war gegangen, sie hatte es gar nicht bemerkt. Ihr Herz war schwer wie aus Blei.
    »Gefunden, Madame?« Der Zahlmeister schleppte das Telefonbuch weg.
    Lisa nickte. »Ja, ich habe gefunden, was ich suchte.« Sie drückte die Tasche an sich und verließ schnell das Bord-Postamt.
    In ihrer Kabine riß Lisa mit zitternden Fingern das Kuvert auf. Ein Bogen, beschrieben mit Hergartens steiler, großer Schrift, fiel heraus und zu Boden. Sie bückte

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