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Schwarzer Nerz auf zarter Haut

Schwarzer Nerz auf zarter Haut

Titel: Schwarzer Nerz auf zarter Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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glanzlose, gebrochene Augen an. In der hohen Philosophenstirn war ein kleines, rundes Loch, rot gerändert. Der Kopf lag auf einem Packen Zellstoff. Der Hinterkopf war rasiert; und es sah aus, als habe man die hintere Hirnschale mit Leukoplast nur notdürftig wieder zugeklebt. Der Mund stand offen. Eine fahle, blutleere Höhle.
    Margret stieß einen schrillen Schrei aus, griff um sich, suchte Halt … dann fiel die Dunkelheit über sie wie ein Tuch, das sie erstickte.
    Ohnmächtig fiel sie vor dem Bett auf den Boden.
    So fanden sie Dr. Dahl und ein Krankenpfleger, von der wachhabenden Schwester alarmiert, die nach dem Abendessen zu Margret Goltz gekommen war und das Bett leer fand. Da auch ihre Kabine leer war, hatte man das Hospital systematisch durchsucht. Auf den Gedanken, in das Totenzimmer zu sehen, war man zuletzt gekommen.
    »Auch das noch!« sagte Dr. Dahl dumpf, als man Margret hinauf in ihre Kabine 107 gebracht hatte. »Wie kann man sie vier Tage lang zum Schweigen verpflichten?«

Da Dr. Dahl im Hospital beschäftigt war, ging Lisa nach dem Dinner zum Bordpostamt, um im Telefonbuch von New York nach einer Adresse zu suchen.
    Vor zehn Jahren war eine Kommilitonin nach Amerika ausgewandert. Mit Ellen, wie sie hieß, hatte Lisa sich gut verstanden, bis die Freundin einen amerikanischen Physiker kennenlernte, der in Deutschland als Assistent weiterstudierte. Sie verlobten sich schnell, heirateten im Eiltempo und flogen dann zurück nach Amerika. Lisa wußte nur, daß sie in New York wohnten. Die Verbindung war nach drei Kartengrüßen voller Überschwang abgerissen, wie es so häufig ist. Jetzt konnte Ellen eine wertvolle Hilfe sein; vor allem hatte sie vielleicht einen Platz, wo man schlafen und sich ausweinen konnte.
    Als Lisa das Postamt betrat, blieb sie eine Sekunde wie festgebannt stehen, dann raffte sie ihren Chinchilla um die Schulter und ging weiter zur Theke.
    Franz Hergarten sah sich um, grüßte sie durch ein leichtes Kopfnicken und trat zur Seite. Neben einem Stapel Telegrammformularen sah sie ein Kuvert liegen, das Hergarten sicherlich hatte zur Post geben wollen. Mit einer schnellen Reaktion legte sie ihre Tasche auf das Kuvert und versperrte ihm die Sicht auf diese Stelle der Theke, indem sie ihm den Rücken zudrehte.
    »Haben Sie ein Telefonbuch von New York da?« fragte sie mit fremder, etwas vibrierender Stimme.
    »Aber selbstverständlich, Madame.« Der Zahlmeister, der den Post- und Telegrammverkehr der ›Ozeanic‹ unter sich hatte, holte aus der Theke ein dickes Buch heraus und schob es über die Platte. »Kann ich Ihnen helfen?«
    »Danke. Ich finde es schon.« Lisa schob das dicke Telefonbuch über den Brief und rutschte mit allem bis ans äußerste Ende der Theke. Dort stand ein Hocker. Sie setzte sich und hatte das Gefühl, jetzt umzufallen. Die Aufregung war zu stark, vor ihren Augen begann sich das Postamt in Kreise und Wirbel aufzulösen. Aber das war nur sekundenlang, dann verschwand das Phänomen, und sie sah sich vor dem Telefonbuch sitzen und mechanisch die Seiten durchblättern.
    Ruhe, sagte sie zu sich. Nur Ruhe! Wie leicht wäre es jetzt zu sagen: »Guten Abend, Franz!« Und man nähme die schwarze Perücke vom Kopf und würde Lisa sein, die er weit weg in einem kleinen Ort bei Frankfurt wähnte.
    Sie blätterte in dem dicken Buch und beobachtete aus den Augenwinkeln ihren Mann. Er trug seinen Smoking mit der Eleganz, die auf Frauen unwiderstehlich wirkt. Bisher hatte Lisa nie bemerkt, wie gut ihr Mann aussah. Jetzt empfand sie es, jetzt, wo es zu spät war. Hergarten lehnte an der getäfelten Wand neben den vier Sprechkabinen und rauchte genußvoll eine Zigarette. Lisa schrak zusammen, als sie plötzlich seine Stimme hörte.
    »Wie lange kann es noch dauern?«
    »Manchmal geht es sekundenschnell, Herr Doktor. Manchmal muß man warten. Wie eben die Leitung frei ist.« Der Zahlmeister sah auf die Uhr. »Für Frankfurt sind zehn Minuten Warten nicht viel.«
    Frankfurt. Er ruft Frankfurt an! Er ruft mich an. Mich! Seine Frau, die jetzt zu Hause sein muß. Die jetzt – es ist gleich halb zehn Uhr abends – vor dem Fernseher sitzt und vielleicht ein Glas Wein trinkt und an ihren Mann denkt, der in geheimer Mission nach New York geflogen ist und noch nicht schreiben kann.
    Jawohl, geflogen nach New York. Geflogen, Herr Dr. Hergarten, während Sie jetzt auf einem Luxusschiff mit Ihrer Geliebten nach Amerika fahren. Während Sie tanzen und lieben, nehmen Sie an, Ihre Frau sitzt

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