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Schwarzer Nerz auf zarter Haut

Schwarzer Nerz auf zarter Haut

Titel: Schwarzer Nerz auf zarter Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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warf sie dann hoch in die Luft. Sie regneten auf sie herab wie Konfetti.
    Mit dem nächsten Lift fuhr sie zum Salon-Deck und suchte Dr. Dahl.
    So sah sie nicht, wie Hergarten wieder die Kabine verließ, anscheinend, um etwas zu holen, vor den Schnipseln in der Liftdiele erstaunt stehenblieb, sich neugierig bückte, weil er sah, daß es ein zerrissener Brief war, ein paar Schnipsel aufhob und sie in der hohlen Hand aneinanderlegte.
    Dann sprang Erstaunen und Erregung in sein Gesicht, er rannte zurück in seine Kabine und warf die Tür krachend zu.
    Jeder Mensch erkennt seine Schrift, auch wenn sie zu Schnipseln zerrissen ist. Vor allem, wenn es ein Stück Papier gibt, auf dem steht: – be Lis -
    In der Kabine schrak Sybilla zusammen, als die Tür zukrachte. Sie saß vor dem Frisierspiegel und kämmte sich. Mit einem Satz warf sie sich hinter einem Sessel in Deckung. Dann erkannte sie Hergarten und richtete sich auf den Knien auf. In ihrer Hand lag die Automatik mit dem langen Lauf.
    »Du kannst einen aber erschrecken«, sagte sie tief atmend. »Ich denke, du bist auf dem Weg zum Salon?«
    »Jemand hat meinen Brief zerrissen«, sagte Hergarten heiser. »Den Brief an meine Frau. Ich habe ihn vorhin dem Postzahlmeister gegeben. Wie kommt er zerrissen vor unsere Tür?«
    Er hielt Sybilla das Schnipsel hin und sah sehr hilflos aus.
    »An Deck.« Sybilla sprang auf. »Wir müssen an Deck. Nur dort haben wir jetzt Ruhe. Wir müssen unter den anderen bleiben, bis der letzte geht. Und wir müssen die allerletzten sein.«
    Sie riß sich das Nachthemd vom Körper. Ungeachtet ihrer herrlichen Nacktheit lief sie zum Schrank und holte ihr Abendkleid heraus. Sie hatte sich in Hergartens Schrank schon völlig eingerichtet.
    »Hilf mir hinein!« sagte sie und zog einen Slip an. »Bis New York müssen wir unter Menschen sein, immer unter Menschen. Das ist unsere beste Sicherheit.«
    Und Hergarten hielt das Abendkleid fest, während Sybilla hineinstieg, eine braunhäutige Venus mit einer Haut, als sei sie mit Perlmutt überhaucht.
    Oben, im Alster-Club, begann um diese Stunde ein Neptun-Abend. Die Erstüberquerer des Atlantik sollten ihr Diplom erhalten. Es war ein Fest überschäumender Freude, und unter den lachenden, tanzenden und singenden Menschen war auch ein eiskalter Mörder …
    Sybilla und Dr. Hergarten wurden im Alster-Club mit großem Hallo empfangen. In allen Restaurants und Bars war die Stimmung schon weit vorgeschritten. Das ganze herrliche, weiße, von Tausenden von Lichtern schimmernde Schiff bestand nur aus Musik, tanzenden Paaren, singenden Angetrunkenen und Verliebten. Sowohl die überdeckte als auch die offene Promenade wurde zum verschwiegenen Platz für Romantiker. Dort stand man am Fenster oder an der Reling, starrte auf das mondschimmernde Meer, hatte sich umarmt und war glücklich. Durch die Wände der großen Festsalons flatterte leise die Musik.
    Europa war fern, Amerika war fern. Man lebte zwischen den Welten, zwischen den Zeiten. Ringsherum nur Wasser, eine wogende Unendlichkeit, die sich im Herzen widerspiegelte als eine unbändige Lust zu leben. In vier Tagen war alles vorbei, sobald man an der Freiheitsstatue vorbeifuhr und vom Schlund des Hudson aufgenommen wurde, wenn Polizei, Zoll, Einwanderungsbehörde und Hafenarzt an Bord kamen, die Feuerwehrschiffe das erste Eintreffen der ›Ozeanic‹ in New York mit hohen Wasserfontänen begrüßten und die Schlepper ihre Sirenen heulen ließen. Dann wurden die acht Tage Fahrt über den Atlantik nur noch Erinnerung. Dann gab man sich die Hand, sah sich noch einmal tief in die Augen und ging auseinander. Man sah sich nie wieder, das wußte man. Der eine fuhr weiter zum Erie-See, der andere flog nach San Franzisko. Mabel würde auf einer Farm in Wisconsin leben und Jack als Architekt in New Mexiko. Und man würde manchmal, in einer stillen Stunde, daran denken, wie schön es auf der ›Ozeanic‹ gewesen war; diese acht Tage Himmel und Meer, Frohsinn und Musik, Liebe und Glück; dieses Wiegen zwischen zwei Welten, der Übergang von dem einen zu einem anderen Leben, eine Zeit ohne Frage und ohne Antwort. Eine Woche des Vergessens.
    Am Eingang zum Alster-Club wurden Sybilla und Hergarten vom Chefsteward aufgehalten. Der Neptun-Ball war eine Art Kostümball. Wer nichts bei sich hatte, um sich bunt zu verändern, und wer es versäumt hatte, sich an der Schiffskleiderkammer ein Kostüm zu leihen, wurde nun an der Saaltür geschmückt. Hergarten erhielt eine große,

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