Schwarzer Nerz auf zarter Haut
ihn der dritte Russe in Empfang und drückte ihn in den Sessel. Ein Lederband schlang sich sofort um seinen Hals, um Füße und Handgelenke klickten Fesseln.
»Ich bin nur ein kleiner Handlanger!« brüllte der Mann. »Ich habe keinerlei Funktionen …«
»Wir wollen uns ohne Aufregung unterhalten, Gospodin.« Shura Aitmanow setzte sich dem Mann gegenüber. Der Russe mit dem nackten Oberkörper ging zu einem elektrischen Ofen und erhitzte zwei eiserne Nadeln. Er benutzte dazu eine Zange. Die Spitzen der Nadeln waren hellrot. Der Mann starrte auf Shura. Schweiß rann ihm über das Gesicht. Er wußte, was mit ihm geschehen würde. Nun wußte er es ganz genau.
»Erzählen Sie uns von Ihrem Auftraggeber, Gospodin«, sagte Shura und lehnte sich gelassen zurück. »Und gehen wir methodisch vor: Zuerst die Namen, dann die Adressen, darauf die Kleinigkeiten. Wo ist die Zentrale, wie ist der Funkcode, wo ist Ihr Verbindungsmann, wie lautet Ihr Auftrag, was plant man? Verstehen wir uns, Gospodin?«
Der Mann nickte stumm. Der halbnackte Russe hob eine der glühenden Nadeln heraus und zeigte sie ihm.
»Machen Sie es kurz …«, stöhnte der Mann. Sein Kopf sank auf die Brust. Grigorij riß ihm das Smokinghemd auf, damit die Brust bloßlag. »Erschießen Sie mich! Ihre verdammte asiatische Methode hat keinen Erfolg bei mir … ich werde schnell ohnmächtig, und dann nützt sie einen Dreck! Ich sage gar nichts …«
»Sie sind ein dummer Mensch, Gospodin.« Shura Aitmanow winkte. Der Halbnackte kam näher, die glühende Nadel zwischen den Zangenbacken. »Ein Held ist man fürs Vaterland, Sie sind's wegen des Geldes! Daß ihr nie den Unterschied begreift. Daran wird die westliche Welt zugrunde gehen.«
Er stellte das Radio an, aber die Tanzmusik war nicht laut genug, den ersten Schrei zu übertönen.
Man spielte: »Komm doch in meine Arme …«
Dr. Dahl hatte sich zum Restaurant-Deck begeben und mischte sich unter den Trubel im Restaurant Helgoland, nachdem er wußte, daß Margret Goltz gut versorgt war. Er hatte ihr eine starke Schlafinjektion gegeben und eine der Schwestern abkommandiert, bei ihr zu wachen. Bis zum Morgen war die Gefahr gebannt, daß das Mädchen seine Entdeckung über das ganze Schiff schrie. Was dann kam, wußte Dr. Dahl noch nicht. Er rechnete mit der Vernunft Margrets. Er wollte ihr die volle Wahrheit sagen und sie so zur Mitverschwörerin machen. Er wollte ihr klarmachen, daß die Ruhe von tausend Passagieren an ihrem Schweigen hing. Vielleicht verstand sie es.
Lisa erwartete ihn an der Sektbar. Er hatte ihr bestellen lassen, daß er als Vertreter des Kapitäns bei den II.-Klasse-Passagieren sein müßte. An der Sektbar möchte sie auf ihn warten.
Lisa sah merkwürdig aus. Sie hatte hektisch gerötete Wangen und unnatürlich glänzende Augen. Sie fiel Dr. Dahl ungeniert um den Hals und küßte ihn. Es war wie eine Demonstration: Seht, er gehört mir! Und ich gehöre zu ihm! Jetzt trennt uns keiner mehr. Am allerwenigsten mein Mann, der über uns in Kabine 12 mit seiner Geliebten zusammenlebt. Wie Mann und Frau wohnen sie schon, und sie macht ihm auf in einem durchsichtigen Nachthemd.
Vorbei! Vorbei! Man soll Enttäuschungen nicht aufblasen. Man wirft sie weg und sucht das Schöne im Leben.
Aber der Brief? War er wirklich nur Lüge, Wort für Wort? Warum schrieb er überhaupt, wenn er wußte, daß in New York auch sein neues Leben beginnt? Man konnte es doch einfacher machen; ein Abschied über mehrere tausend Kilometer. Das ersparte Szenen, da sah man keine Tränen, da hörte man kein Weinen. Warum schreiben: Ich komme schnell wieder?
O wenn man die Lüge doch analysieren könnte wie ein chemisches Produkt …
Nach einigen Pflichttänzen als Vertreter des Kapitäns zog Dr. Dahl Lisa vom Barhocker und verließ das große Restaurant. Er stieg mit ihr einige unbekannte, im Inneren des Schiffes und für Passagiere gesperrte Treppen empor und öffnete eine Eisentür. Kühler, salziger Wind wehte sie an. Vor ihnen lag das freie Oberdeck, rauschte das Meer, wölbte sich der mondfahle Himmel mit den wehenden Wolkenfetzen.
»Hier sind wir allein«, sagte Dr. Dahl und zog Lisa ins Freie. Sie schlang den Chinchilla um ihre bloßen Schultern und lehnte sich an ihn. Die jungen Leute mit der improvisierten Beatband waren wieder verschwunden. Das Deck gehörte ihnen allein. Über ihnen, auf dem Salon- und Promenaden-Deck war mehr Betrieb. Dort standen die Paare an der Reling und sagten sich tausend dumme
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