Schwarzer Nerz auf zarter Haut
man irgendwo auf dem Schiff fand, eine Kugel in der Stirn? Aber welchen Sinn sollte das haben? Man wollte seine Pläne. An einem Tod Hergartens war niemand interessiert.
Sie griff in die Tasche, zog eine Zigarette heraus und brannte sie an. Bis auf die gedämpfte Musik war es still auf dem Riviera-Deck. Der Swimming-pool lag wie ein weggeworfenes Tuch dunkel im Deck. Über ihr wiegten sich die Rettungsboote lautlos in den Davits und Taljen. Nur der Wind raschelte in den Persennings. Sybilla sah sich um. Sie war allein auf diesem Deckstück. Das nächste Liebespaar träumte jenseits des Pools hinter einem Aufbau, in dem die Sportgeräte lagerten.
Die Zigarette, die Sybilla rauchte, war wie das Abbrennen einer Zündschnur. Wenn sie beendet war, begann die große Aktion. Ihr Plan stand fest: Sie wollte jede Kabine durchsuchen, vom Promenadendeck bis hinunter zum Sauna-Deck. Es gab dann kein Versteckspielen mehr. Der Kapitän und die Offiziere mußten unterrichtet werden.
Sybilla sah kurz auf. Von der geschlossenen Promenade kam ein Herr herauf auf das Deck. Er trug, wie alle Gäste der I. Klasse, einen Smoking. Daß er außerhalb des Saales aber auch noch seine Maske trug, fand Sybilla übertrieben fröhlich. Sie sah kurz hin und drehte sich dann weg, starrte über das Meer und in die schäumenden Wirbel, die die Schraube der ›Ozeanic‹ erzeugte.
Der Mann in der schwarzen Halbmaske warf seine Zigarette über Bord und sah sich um. Bis auf das ferne Liebespaar waren sie allein. Wo Sybilla stand, war Schatten … ihr goldenes Kleid schimmerte durch die fahle Dunkelheit wie ein Stückchen Meeresleuchten.
Der Mann machte einen Schritt vorwärts. Dann, lautlos, geschmeidig wie ein Raubtier, schnellte er vor, überbrückte die zwei Meter zwischen sich und Sybilla im Bruchteil eines Wimpernzuckens, warf sich auf die nach vorn gelehnte Frau und packte sie mit starken Händen.
Ehe Sybilla merkte, was geschah, fühlte sie sich emporgehoben und schweben. Aber dann begriff sie blitzartig, was das bedeutete … sie drehte sich in den Händen, schlug mit der Handkante auf seinen Arm und fühlte, wie sie auf die Deckplanken plumpste.
Der Mann mit der schwarzen Halbmaske stand keuchend vor ihr. Wieder griff er nach ihr, diesmal nach den Schultern, warf sich mit seinem ganzen Gewicht gegen sie und versuchte, Sybilla nach hinten über die Reling ins Meer zu werfen.
Sybilla reagierte eiskalt. Nichts mehr von Angst war in ihr, keine Verwunderung, keine Schrecksekunde. Was sie immer und immer wieder geübt hatte, auf der Matte, in einem großen Sandkasten, auf weichem Waldboden, am Ende auf hartem Beton, das ließ sie jetzt an der Schwelle des Todes wie eine Maschine wieder ablaufen.
Der Griff an die Revers, das Knie hoch bis zur Magengrube, Verlagerung des Gewichtes, sich fallen lassen, den anderen mitreißen und über sich hinwegschleudern, dann herumschnellen, ehe der andere sich wieder aufrappelte … es lief alles wie auf dem Übungsplatz der Agentenschule ab.
Noch im Fallen versuchte Sybilla, mit einer schnell hervorschießenden Hand die Maske vom Gesicht des Mannes zu reißen. Aber ihr Gegner war reaktionsschnell. Er lächelte sogar anerkennend, als er über Sybillas Kopf hinweg gegen die Planken krachte, und es war der einzige Sieg, den er ihr überließ. Bevor sie sich auf ihn werfen und einen Halsschlagader-Schlag anbringen konnte, rollte sich der Mann katzenhaft weg, trat nach der Hand Sybillas, die nachfuhr, sprang auf und rannte geduckt, ein gleitender Schatten, zwischen Himmel, Meer und fahlem Mondschein kaum erkennbar, quer über das Riviera-Deck und verschwand hinter einigen Aufbauten.
Sybilla erhob sich von den Planken und lehnte sich tief atmend an die Reling. Sie warf den Kopf weit in den Nacken und saugte kalte, reine Seeluft in sich hinein, als müsse sie sich füllen mit dem Leben, das sie behalten durfte.
So stand sie eine ganze Zeit, bis sich die Nerven entspannten. Und erst da merkte sie, daß ihre Tasche weg war. Beim Zugreifen, als es um das Leben ging, hatte sie sie fallen lassen. Sie konnte nicht weit geschliddert sein, sie mußte irgendwo auf dem Deck liegen.
Aber so gründlich Sybilla auch suchte – die goldene Tasche mit der Automatik-Pistole war nicht zu finden.
Sie suchte jede Ecke ab, sie ging bis zum Pool, sie rannte die Treppe hinunter zum Oberdeck und suchte dort. Es war ja möglich, daß ein Fußtritt des Mannes die Tasche auf das andere Deck geschleudert hatte. Aber auch auf dem
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