Schwarzer Nerz auf zarter Haut
sein. Also legen Sie los, Sie Engel.«
»Ich rufe jetzt gleich den Schiffsarzt.« Sybilla starrte auf den Mann vor sich auf dem Boden. »Was Sie ihm erzählen, ist Ihre Sache. Sie müssen auf jeden Fall ins Hospital, dort sind Sie sicher. Ich glaube auch nicht, daß sich die Russen noch einmal mit Ihnen beschäftigen; sie werden sich jetzt an mich halten. Können Sie gehen?«
»Ich hab's noch nicht wieder versucht.«
Der Mann richtete sich auf, stöhnte, warf die nassen Handtücher von sich. »Oh, die taten gut.« Er wälzte sich auf die Seite, stemmte sich auf die Knie und hockte so, schwer atmend. Sybilla half ihm nicht. Nun, wo er wieder halbwegs Mensch war, wo er weiterleben konnte, wurde er für sie wieder zum Gegner.
»Was haben sie gemacht?«
»Mongolische Nadelspiele.«
»Schweine.«
»Wer kann es ihnen übelnehmen? Sie tun nur ihre Pflicht – wie wir.« Der Mann kroch zu seinem Bett, zog sich an ihm hoch und warf sich keuchend und ächzend auf die kühle Decke. Er streckte sich aus und lag dort wie aufgebahrt. Sein Atem rasselte.
»Haben Sie Dubois getötet?« fragte Sybilla nüchtern.
»Ja.«
»Warum?«
»Ich stand in der Kleiderkammer, als Sie ihn aus der Kabine katapultierten. Warum Sie nicht geschossen haben, ist mir ein Rätsel.«
»Ich hasse das Töten.«
»In Ihrem Beruf?« Der Mann drehte den Kopf zu Sybilla. »Ich ahnte, daß Dubois wiederkommen würde. Und so war es. Als er annahm, daß Sie schlafen würden, schlich er wieder zu Ihrer Tür und wollte sie mit einem Nachschlüssel aufschließen. Da kam ich aus der Kleiderkammer. Wir sahen uns stumm an und wußten, daß einer zuviel war. Ich war schneller, trotz des hinderlichen Schalldämpfers. Das ist die ganze Geschichte.«
»Dann haben Sie mir das Leben gerettet? Ausgerechnet Sie?«
»Nur aus Eigennutz. Sie sollten mir erhalten bleiben.«
»Auf jeden Fall sind wir quitt.« Sybilla beugte sich vor und griff zum Telefon. Auf Deck und in den Gängen war jetzt Lärm, Trampeln, Rufen, Lachen. Die Übung war beendet, die Passagiere kehrten zurück. »Wollen Sie Hergartens Pläne noch immer haben?«
»Nein, danke. Ich ziehe mich zurück. Ich habe die Schnauze voll.« Der Mann lächelte Sybilla verzerrt an. »Auch meine Auftraggeber werden nach Besichtigung meines Körpers dafür Verständnis haben. Ich kann immerhin vorweisen, so heldisch gewesen zu sein, meine Regierung nicht zu verraten. Trotz dieser Sauerei hier …« Er strich über seinen gemarterten Körper. »Auch Ihnen sage ich es nicht.«
»Mir genügt, daß Sie aufgeben.« Sybilla nahm den Hörer ab. »Werden Sie rückfällig, rettet Sie keiner mehr.«
»Ich weiß, Wunder gibt's nur einmal.« Der Mann seufzte. »Wie haben Sie das nur gemacht?«
»Es war nicht schwierig.« Sybilla wählte die Bordnummer des Hospitals. Dr. Dahl war gerade angekommen, die Tragen wurden wieder verstaut.
»Kabine neun, bitte«, sagte sie. »Herr Doktor, kommen Sie bitte persönlich und mit viel Diskretion. Und bringen Sie Brandsalbe, Penicillinpuder und Verbände mit. Herr Architekt Niehoff braucht das sehr dringend …«
»Sie sind ein Aas, holder Engel! Der Doktor wird mich bis New York nicht aus den Krallen lassen.«
»Genau das soll er auch nicht. Ich besuche Sie mal im Hospital.« Sybilla winkte Heinz Niehoff zu und verließ schnell die Kabine.
Was wird nun geschehen? dachte sie. Wie wird sich Dr. Dahl benehmen? Gehört er zu irgendeiner Gruppe, dann weiß er jetzt, daß die Gefahr woanders ist. Ist er wirklich nur ein harmloser Schiffsarzt, wird er vor neuen Rätseln stehen.
Und so war es.
Dr. Dahl untersuchte mit innerem Schaudern die gräßlichen Wunden Niehoffs.
»Wollen Sie nicht sagen, wer Sie so zugerichtet hat?« fragte er dann. Niehoff stöhnte, als Dr. Dahl die Brandsalbe auf die Wunden strich.
»Nein, Doktor! Fragen Sie nicht.«
»Man hat Sie gefoltert!«
»Kümmern Sie sich um die Wunden.«
»Ich müßte dem Kapitän und der Polizei …«
»Ich appelliere an Ihre ärztliche Schweigepflicht, Doktor.«
»Wer war die Dame, die mich zu Ihnen rief?«
»Ein Engel, Herr Doktor! Ein wahrer Engel.«
»Wir haben hier an Bord einen Mörder! Sollten Sie das nächste Opfer dieses Verbrechers werden?«
»Verbinden Sie, Doktor.«
»Verdammt! Es ist Ihre Pflicht auszupacken! Wenn wir hier an Bord einen Wahnsinnigen haben, der alle Passagiere gefährdet …«
Heinz Niehoff schüttelte schwach den Kopf. Die schmerzstillende Injektion, die ihm Dr. Dahl gegeben hatte, begann zu
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