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Schwarzer Nerz auf zarter Haut

Schwarzer Nerz auf zarter Haut

Titel: Schwarzer Nerz auf zarter Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zog an einer winzigen Reißleine und stellte sich so, daß sie genau vor der Türspalte stand, wenn diese geöffnet werden sollte.
    Im Inneren der Kabine war es still, als sei sie verlassen. Von Deck tönten schwach die Sirenen der Barkasse, die wieder an Bord gehievt war. Die Übung ging dem Ende zu.
    Sybilla klopfte noch einmal, diesmal mit der Faust. Hinter der Tür hörte sie einen russischen Fluch. Ein hartes Lächeln überzog ihr Gesicht, als sie das Zurückschnappen des Sicherheitsriegels hörte. Die Tür ging auf … Shura Aitmanow sah sie aus bösen Augen an.
    »Falsche Kabine Madame«, sagte er, als er Sybilla erkannte. »Hier ist Nummer 19.«
    »Das ist schon richtig!« Sybilla schob die Spitze des Schuhes in den Türspalt. Mit einem Ruck, dem die Knie nachhalfen, brach sie den Spalt weiter auf, und das geschah so plötzlich, daß Aitmanow nicht schnell genug reagieren und sich gegen die Tür werfen konnte. Im gleichen Augenblick flogen die beiden kleinen Kugeln in die Kabine, fielen auf den Boden, zersprangen und gaben ein nebelartiges, süßlich riechendes Gas frei, das sofort den kleinen Raum füllte.
    Mit offenem Mund starrte Aitmanow Sybilla an, als ihre Faust ihn gegen die Brust stieß und zurückwarf in das Wogen der Gasnebel. Dann fiel er um, ohne einen Laut, während Sybilla die Tür aufriß, gegenüber die Kabine von Frau Michaelsen öffnete, dort das Doppelfenster aufriß und sich nebenan ins Bad flüchtete. Dort wartete sie, bis das Gas abgezogen war. Wie eine träge Wolke kroch es über den Gang, in die Kabine Nr. 17 und dort hinaus aufs Meer, von der frischen Seeluft wie von einem Magneten angezogen.
    Auf Deck hielt der Kapitän eine Ansprache an die Passagiere, an die Besatzung und an Graf Sepkinow persönlich, ohne dessen Namen zu nennen. Er dankte für die Mitarbeit und schilderte, was alles durch undiszipliniertes Verhalten geschehen könne, wenn die ›Ozeanic‹ wirklich in Gefahr käme. Man klatschte laut Beifall.
    Sybilla hörte es, als sie aus dem Badezimmer von Nr. 17 herauskam und hinüberging zu Kabine Nr. 19. Das Gas hatte sich verflüchtigt. Die Russen lagen betäubt übereinander, regungslos, wie hingeworfene Schaufensterpuppen. Auf dem unteren Bett der Kabine sah Sybilla einen halbnackten Mann, dessen Oberkörper mit Blutstriemen und häßlichen, aufgequollenen Brandwunden übersät war. Das Gesicht war zerschlagen und deformiert, aber trotzdem erkannte sie ihn sofort.
    Es blieb nicht mehr viel Zeit, wählerisch in den Mitteln zu sein. Die Übung war gleich beendet, dann strömten die Passagiere wieder zu ihren Kabinen, um die Schwimmwesten zu verstauen und sich fürs Mittagessen umzuziehen. Das Vorderdeck wurde bereits geräumt, die Besatzung fuhr unter Deck, vor allem die Köche und Küchenarbeiter.
    Sybilla rollte den Mann aus dem Bett auf den Kabinenboden, ergriff seine Beine und schleifte ihn hinter sich her aus der Kabine, über den Gang und hinein in die Kabine Nr. 9. Dort ließ sie ihn auf dem dicken Veloursteppich liegen, warf sich in einen Sessel und breitete erschöpft die Arme weit aus. Wie ein Maikäfer vor dem Flug pumpte sie Luft in sich hinein. Ihr Herz schlug wie rasend. Sie warf den Kopf weit in den Nacken und sah an die getäfelte Decke der Luxuskabine. So saß sie ungefähr zehn Minuten, bis sie die Kraft hatte, wieder aufzustehen und sich um den gräßlich zugerichteten Mann zu kümmern. Sie rannte ins Badezimmer, tauchte alle greifbaren Handtücher in kaltes Wasser und warf sie über den nackten Oberkörper des Mannes. Der kalte Schock wirkte. Der Körper zuckte, die Arme schlugen um sich, der Kopf ruckte. Aus den Lippen brach ein Schrei.
    »Nein! Nein!«
    Dann lag er still, die Augen öffneten sich. Der erste Blick war völliges Nichtbegreifen, aber das Zittern des Körpers hielt an.
    Langsam wandte der Mann den Kopf zu Sybilla und starrte sie ungläubig an.
    »Wo bin ich?« Seine Worte waren ein heiseres Gurgeln.
    »In Ihrer Kabine.«
    »Wie komme ich da hin?«
    »Ich habe Sie hergebracht!«
    »Sie?« Der Mann wandte den Kopf wieder ab. »Sie gehören also auch dazu? Was haben Sie auf Lager?« Die nassen, kalten Handtücher schienen ihm gutzutun. Seine Sprache wurde klarer. Auch die Gedanken befreiten sich aus der Umklammerung von Schmerz und Grauen. »Ich wußte gar nicht, daß Sie Russin sind. Wie ist Ihre Folter? Frauen haben eine besondere Phantasie dafür. Während der chinesischen Revolution sollen die weiblichen Kommissare die grausamsten gewesen

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