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Schwarzer Nerz auf zarter Haut

Schwarzer Nerz auf zarter Haut

Titel: Schwarzer Nerz auf zarter Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Offizier hob die Stimme, aber ebenso schnell reagierte Sepkinow.
    »Ich bestehe darauf, daß Sie mich in Ruhe lassen mit Ihrem Militärton!« rief er. Plötzlich war seine Stimme anders, hell und hart. Die Worte kamen wie Schüsse. »Meine Diener bleiben unter Deck. Haben Sie verstanden?«
    Der I. Offizier wurde rot. »Befehle nehme ich nur vom Kapitän des Schiffes entgegen.«
    »Dann sagen Sie Ihrem Kapitän, daß ich mich durch nichts, auch nicht durch Ihre Vorschriften, einengen lasse.« Er riß sich die Schwimmweste vom Körper und schleuderte sie weit weg. »Ich gehe auch unter Deck! Und ich möchte den sehen, der mich daran hindern will!« Er sah sich um. Betretene Gesichter starrten den alten Grafen an. »Ist jemand hier, dem das mißfällt? Ich verabscheue Kadavergehorsam.«
    Sir Surtess faßte Sepkinow am Ärmel. Ihm war der Vorfall peinlich. »Seien Sie vernünftig, Graf«, sagte er begütigend. »Der Kapitän ist auf seinem Schiff wie ein Staatschef. Er darf befehlen …«
    »Dann bin ich Anarchist! Ich nehme keine Befehle an!« Graf Sepkinow riß sich los. Er wollte das Deck verlassen, als er Kapitän Selbach kommen sah, der vom Oberzahlmeister benachrichtigt worden war. »Aha!« rief er. »Da kommt die Autorität! Bevor Sie etwas sagen, Kapitän: Meine Leute bleiben unter Deck, wenn es ihnen paßt. Weitere Worte darüber sind sinnlos.«
    Kapitän Selbach befand sich in einem Zwiespalt. Es ging jetzt wirklich um seine Autorität als Kommandant der ›Ozeanic‹. Gab er nach, war das eine Schwäche, die nie wiedergutzumachen war. Das Wort eines Kapitäns gilt an Bord, und sonst nichts. Andererseits schätzte er Graf Sepkinow sehr. Es tat ihm leid, daß er gezwungen war, einzugreifen.
    »Darf ich fragen, warum sich Ihre Leute weigern, an Deck zu kommen? Es ist ja nur noch für eine Viertelstunde.«
    »Ich gebe als Russe keinerlei Erklärungen über Handlungen ab!« sagte Sepkinow mit einem unnachahmlichen Stolz. »Wenn Ihnen das nicht paßt …«
    »Es paßt mir durchaus nicht«, sagte Kapitän Selbach scharf. Graf Sepkinow senkte den Kopf wie ein Kampfstier. Der Bruch war da, und keiner der herumstehenden Passagiere begriff, warum so etwas geschah. Es war alles so sinnlos.
    »Bestrafen Sie mich«, sagte Sepkinow laut. »Geldstrafe? Haben Sie einen Karzer an Bord? Werde ich vom Schiff geworfen? Wie bestraft man in der christlichen Seefahrt?«
    Kapitän Selbach atmete heftig. Sir Surtess strich sich verzweifelt durch die weißen Haare. Er empfand das Unglück Selbachs nach. Wer hätte das von Sepkinow gedacht? Ein so netter, höflicher Mensch, und jetzt war er wie ein Steppenreiter, mit den Manieren eines Kosaken.
    »Ich werde diesen Vorfall ins Bordbuch eintragen«, sagte Selbach mit bewunderungswürdiger Ruhe.
    »Tun Sie das, Kapitän. Spielen Sie Schulmeisterlein! Verteilen Sie Zensuren. Der böse Sepkinow – eine Sechs in Betragen!« Sepkinow sah sich um. Die anderen Passagiere senkten den Blick. Es war niemand, der lachte, keiner, der zu ihm hielt. Über das Gesicht des Greises glitt ein Lächeln. »Ich sehe, ich stehe allein! Wir Russen brauchen unsere Feinde nicht zu suchen, sie wachsen uns zu wie die Sonnenblumen.«
    »Aber Graf, was soll jetzt die Politik?« sagte Sir Surtess konsterniert. »Eine einfache Übung darf doch nicht …«
    Graf Sepkinow wandte sich ab, drängte sich durch den Kreis der anderen Passagiere und setzte sich schmollend abseits in einen Deckstuhl. Dort blieb er sitzen und starrte aufs Meer, bis die Übung abgeblasen wurde. Sie war, bis auf diesen Zwischenfall, ein Erfolg.
    Die ›Ozeanic‹ würde kein Grab werden. Jeder konnte gerettet werden. Das wußte man jetzt.
    Und niemand hatte gesehen, daß während der Auseinandersetzung Sepkinows mit dem Kapitän Sybilla Odenthal langsam zur Tür gegangen und unter Deck verschwunden war.
    Durch die leeren Gänge rannte Sybilla zu ihrer Kabine und riß den Wäscheschrank auf. Unter ihrer Unterwäsche holte sie eine kleine, automatische Pistole hervor und nahm aus einer Schachtel, auf der ›Lavendel-Seife extra mild‹ stand, zwei kleine schwarze Kugeln, die eher wie Metall und nicht wie Seife aussahen. Beides steckte sie in die Taschen ihres Sportjacketts, das sie unter der noch immer umgeschnallten Schwimmweste trug. Dann ging sie zurück zum Lift, fuhr hinauf zum Promenadendeck und betrat ohne Zögern den Gang, in dem Kabine 19 lag. Sie klopfte an die Tür, als sei es wieder der Steward, griff dann nach den beiden kleinen Kugeln,

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