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Schwarzer Nerz auf zarter Haut

Schwarzer Nerz auf zarter Haut

Titel: Schwarzer Nerz auf zarter Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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begegnete, wich er ihm verwirrt aus.
    »Wir sind unter uns«, sagte Sybilla. »Wir kennen uns jetzt. Und doch, Graf, bleibt eine Frage für mich: Warum tun Sie das?«
    »Ich verstehe Sie nicht, Täubchen.« Sepkinow griff wieder zum Wodka. Seine Greisenhand zitterte.
    »Sie sind ein Aushängeschild des sowjetischen Geheimdienstes, weiter nichts. Die wirklichen Fachleute sind Ihre rotbefrackten Lakaien. Vor allem Aitmanow. Wer ist er?«
    Sepkinow schüttete sich bedächtig ein neues Glas voll. Dann sagte er: »Er ist Major der Roten Armee. Ein kluger Kopf.«
    »Und mit einem Herzen aus Uralgestein«, fügte Niehoff hinzu.
    »Das gehört zu seinem Beruf.«
    »Und Sie?« fragte Sybilla ungerührt.
    Sepkinow sah an die Decke. »Ich bin ein armer, alter Mann, der einige Millionen besitzt und einmal Graf im herrlichen zaristischen Rußland war. Ich flüchtete 1919 mit Hilfe der Amerikaner von Wladiwostok aus und kam, wie Tausende andere Emigranten, nach Paris. Dort machte ich mit meinen geretteten Edelsteinen einen Juwelenhandel auf, er florierte, ich kam gut ins Geschäft und arbeitete so lange, bis ich Millionär war. Mein Alter wird ruhig sein, dachte ich. Dann kam der 19. Juni 1953. Meine Tochter Elena Fjedorowna verschwand aus Paris. Mit ihr ihre Tochter, meine Enkelin Janina Alexandrowna. Mein Schwiegersohn, Fürst Wladowsky, war gerade ein Jahr tot. Sechs Wochen später bekam ich ein Telegramm. Aus Moskau. Meine Tochter und meine Enkelin saßen in der Lubjanka, dem Staatsgefängnis. Wie sie von Paris nach Moskau geschafft wurden – keiner weiß es! Dann kam ein Mann aus Moskau zu mir und machte ein Angebot: Elena und Janina geschieht nichts, sie kommen in kein Lager, sie kommen nach Paris zurück, wenn ich mich zur Verfügung stelle, mit meinem Namen und meinem Ansehen einen Agentenring in Westeuropa zu decken. Drei Diener sollte ich einstellen, alles andere gehe mich nichts an. Ja, so war's.« Sepkinow kippte den Wodka in sich hinein. »So geht das jahraus, jahrein. Jeden Monat bekomme ich einen Brief aus Moskau. Sie leben alle noch, es geht ihnen gut, sie leben sogar auf einer Datscha bei Moskau – und ich arbeite weiter als Handlanger Moskaus, um ihnen dieses Leben zu retten. Ich kann nicht anders. Was mit ihnen geschieht, wenn ich einmal sterbe, wer weiß es? Aber noch lebe ich! Und deshalb wird es mir unheimlich, einen Unbekannten im Nacken zu haben, der uns alle fressen wird.«
    »Und was sagte Aitmanow?« fragte Niehoff, nachdem sie alle eine Zeitlang geschwiegen hatten. Eine merkwürdige Ergriffenheit hatte Sepkinows Lebensbericht hinterlassen.
    »Er tobt. Was hilft toben? Bis New York sind es noch zwei und ein halber Tag. Solange leben wir auf einer Mine. Und solange sollten wir gemeinsam Hergarten beschützen, statt ihn zu jagen. Unser Gegner kennt kein Mitleid.«
    »Wie wir alle nicht«, sagte Niehoff ruhig. »Haben Sie einen Vorschlag, Graf?«
    Und Sepkinow nickte.
    Lisa hatte genau beobachtet, daß Sybilla Odenthal zusammen mit Sepkinow das Restaurant verlassen hatte. »Sie gehen ins Hospital«, sagte Dr. Dahl. Auch er verfolgte den Weggang der beiden. »Sie dürfen den erkrankten Herrn Niehoff besuchen. Eine Stunde habe ich Ihnen erlaubt.«
    Diese Stunde wollte auch Lisa zu ihrer Schicksalsstunde werden lassen. Nach dem Lunch entschuldigte sich sich, sie sei müde und wolle etwas schlafen. Später wollte sie dann zum Sonnendeck kommen.
    Für die große Aussprache machte sich Lisa wie für einen Ball zurecht. Sie verzichtete auf die Perücke und zog sich so an, wie Hergarten sie kannte, wenn sie einmal ausgingen. In die Oper, in ein Konzert … es war selten genug gewesen. Dann rannte sie fast zu seiner Kabine, klopfte an und trat ein, ohne eine Antwort abzuwarten. Ihr Herz hämmerte bis zum Hals. Wie wird er sich benehmen? Wird es ein Schock sein für ihn? Er wird ein paar Minuten Zeit brauchen, um zu begreifen, daß seine Frau die dunkelhaarige, südländische Schönheit ist, die an der Seite des Schiffsarztes so glücklich wirkt. Aber dann wird alles leichter sein, die Worte werden nicht zögernd kommen, man wird sich aussprechen können, man wird ehrlich sein, man wird in sich hineinsehen und erkennen, daß man die Wirklichkeit akzeptieren und einen Irrtum einsehen muß, auch wenn es schmerzlich ist. Wie soll ein Leben sinnvoll sein, wenn es auf einer Lüge beruht?
    Sie trat in die Luxuskabine und fand sie leer.
    Gut, sagte sie sich. Dann warte ich. Er ist vorhin weggegangen, vielleicht holt er

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