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Schwarzer Nerz auf zarter Haut

Schwarzer Nerz auf zarter Haut

Titel: Schwarzer Nerz auf zarter Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Zigaretten. Er wird gleich wiederkommen. Sie wußte nicht, daß Hergarten wieder im Bordpostamt stand und ein Telefongespräch nach Frankfurt angemeldet hatte. Auch er wollte noch einmal mit seiner Frau sprechen und sie bitten, mit allen Entscheidungen zu warten, bis er wieder zurückgekommen war.
    »Bis Frankfurt kann es eine Stunde dauern«, sagte der Zahlmeister nach Rückfrage in der Funkkabine. »Die Leitungen sind überlastet.«
    »Ich warte«, sagte Hergarten.
    Lisa stand in der Mitte der Kabine 12 und warf ihre Tasche in einen der Sessel, als sie zusammenzuckte. Hinter ihr klappte die Tür zu, die sie offengelassen hatte. Sie fuhr herum und wollte Hergarten durch ihren Anblick überraschen, als sie entgeistert stehenblieb und den anderen Besucher musterte.
    »Sie …«, sagte sie ungläubig. »Aber wo ist denn …«
    Dann schwieg sie. Ihre weiteren Worte wurden ein Gurgeln. Der Besucher drückte ihr ein feuchtes Tuch gegen das Gesicht. Es roch süßlich, widerlich, den Atem nehmend.
    Äther, dachte Lisa noch. Sie betäuben mich mit Äther. Was ist denn geschehen? Warum … warum …?
    Mit dieser Frage ohne Antwort glitt sie hinüber in die Besinnungslosigkeit.
    Gegen Abend schlug Dr. Dahl Alarm.
    Lisa war verschwunden.
    Sie war weder in ihrer Kabine noch bei ihm in der Suite. Sie kam nicht zum Dinner, man hatte sie auf dem Sonnendeck und auch woanders nicht gesehen. Sie war einfach verschwunden, wie weggezaubert, verflogen wie Nebel.
    »Jetzt ist es genug!« schrie Dr. Dahl. Er sah schrecklich aus. Den Kragen seines Hemdes hatte er aufgerissen und es dabei samt der Krawatte zerfetzt. Der I. Offizier versuchte, ihn mit Kognak zu beruhigen. Kapitän Selbach rannte mit geballten Fäusten in seinem Zimmer herum. Durch das ganze Schiff lief eine große Suchaktion. Man nahm jetzt keine Rücksicht mehr auf die Passagiere. Die herrliche, weiße, schwimmende Stadt war in Aufregung wie ein Ameisenhaufen, in dem man mit einem Stock gebohrt hat. Matrosen und Stewards durchkämmten alle Kabinen, jeden Raum, jeden Winkel der ›Ozeanic‹, vom Doppelkamin bis zum untersten Ladebunker.
    »Wir tun, was wir können, Doktor«, sagte Kapitän Selbach mit bebender Stimme. »Denken wir gar nicht daran, daß sie über Bord gegangen sein kann …«
    Dr. Dahl zerwühlte sich mit beiden Händen die Haare. Sein Schmerz war noch größer durch das Entsetzen, durch das Wissen, daß um Lisa ein Geheimnis war, das heute gelöst werden sollte. Hing ihr Verschwinden damit zusammen? Die Pistole in ihrer Tasche … die Toten unten im Hospital … der gefolterte Niehoff …
    »Ich verlange die Polizei!« sagte Dahl laut. Und dann hieb er auf den Tisch und schrie: »Rufen Sie New York an, Kapitän! Lassen Sie mit einem Wasserflugzeug die Polizei an Bord kommen! Stoppen Sie die Maschinen!« Er sprang auf und faßte Selbach an den Aufschlägen der Uniform. »Ich verlange«, brüllte Dahl, »daß die ›Ozeanic‹ nicht eher in New York ans Pier geht, bis man Lisa gefunden hat. Unter uns ist ein Satan!«
    Das Abendessen fand in sehr gedrückter Stimmung statt.
    Während im großen Helgoland-Restaurant niemand etwas wußte und das fröhliche Leben an Bord weiterging, da die Stewards alle Gerüchte auffingen, bagatellisierten oder belachten, herrschte an den Tischen der Luxusklasse-Passagiere tiefe Depression. Kapitän Selbach ließ sich durch seinen I. Offizier vertreten. Dr. Dahl blieb unter Deck in seinem Hospital. Sybilla Odenthal und Dr. Hergarten aßen auf ihrem Zimmer. Die gelähmte Frau Michaelsen hatte durch die Ereignisse einen solchen Schock bekommen, daß auch sie in ihrer Kabine blieb und durch ihre Pflegerin, Käthe Peine, starke bromhaltige Beruhigungsmittel holen ließ. Nein, den Arzt wolle sie nicht sehen, ließ sie verlauten, als sich Dr. Dahl zur Untersuchung anbot. Ein Arzt könne jetzt gar nichts helfen, sie brauche Ruhe, sie kenne das. Jede Aufregung schlage ihr auf die Nerven. Vielleicht eine Folge der Lähmung … Dr. Dahl gab der Pflegerin einige starke Beruhigungsmittel mit und schrieb genaue Anweisungen über die Dosierung auf die Packung.
    So waren die früher so fröhlichen Tische der Luxusklasse nur noch ein Torso. Sam Hopkins saß wie verloren herum und fand kaum noch jemanden, bei dem er seine Witze anbringen konnte, denn Lady Anne war zu vornehm, um darüber zu lachen, und Sir Surtess durfte nicht lachen, solange seine Frau neben ihm saß. Graf Sepkinow und seine Lakaien bildeten nun einen eigenen Block, als igelten

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