Schwarzer Purpur
das Gesicht. »Au, verdammt, ich bin zu alt für so etwas! – Ich kriege keine Luft mehr …«
Ihre rechte Hand fuhr an ihren linken Oberarm, verkrampfte sich im weichen Wollstoff ihrer Strickjacke. Entsetzt bemerkte ich, dass ihre normalerweise gesunde Gesichtsfarbe zu kalkigem Weiß gewechselt hatte. Auf ihrer Oberlippe sammelten sich winzige Schweißtröpfchen. Obwohl sie die Lippen so fest zusammenpresste, dass sie zitterten, konnte sie das Stöhnen nicht unterdrücken, das tief aus ihrem schmalen Brustkorb drang.
»Einen Arzt!«, rief ich. »Gibt es hier einen Notarzt?«
Rosie wirkte wie betäubt. Wenn ich mich nur besser auskennen würde! Ungeduldig schüttelte ich sie an den überraschend kräftigen Schultern. »Rosie, wir brauchen unbedingt einen Arzt. So schnell wie möglich!«
Nach endlos scheinenden Sekunden nickte sie endlich und bewegte sich zielstrebig auf das Telefon in der Diele zu. »Und sag bitte auch Mark in der Gärtnerei Bescheid«, rief ich ihr hinterher, während ich mich bemühte, Sophias zusammengekrümmte Gestalt auf das Sofa an der Wand zu betten.
Sie fühlte sich zerbrechlich an, leicht wie ein Vogel. Keine Spur mehr von dem wutschnaubenden Pumaweibchen. Diese winzige Person wirkte jämmerlich und schutzbedürftig. Ihre Augen waren geschlossen, aber die senkrechte Falte zwischen ihren Augenbrauen zuckte hin und wieder. Der Atem ging schwer, und ich horchte ängstlich auf jedes Anzeichen von Unregelmäßigkeit. Ich hielt ganz leicht ihre trockene Hand mit der dünnen Haut über den feinen Knochen und flehte sie stumm an, nicht zu sterben.
Es war die längste Viertelstunde meines Lebens, bis ich die Sirene des Krankenwagens näher kommen hörte. Der Kies spritzte, und tausende Steinchen prasselten dabei auf die in der Nähe stehenden Pressewagen. Wütende Stimmen, Laufschritte, und dann endlich zwei stämmige Träger mit einer Bahre und ein älterer Mann, der eine solche Ruhe und Kompetenz ausstrahlte, dass ich mich sofort erleichtert fühlte, ihm die weitere Verantwortung überlassen zu dürfen.
Er scheuchte Rosie und mich ins Esszimmer. Dort blieben wir wie angewurzelt stehen und warteten. Keine von uns setzte sich oder sprach. Wir vermieden sogar jeden Blickkontakt, als müssten wir damit auch unser Schweigen beenden. Jede von uns kauerte verschreckt in ihrem eigenen Kokon aus Angst und Sorge.
Marks Wagen kam kurz darauf schlitternd hinter dem Krankenwagen zum Stehen. Rosie stürzte zur Tür, ich folgte ihr auf den Fersen.
»Verdammt noch mal! Habe ich euch nicht gesagt, ihr solltet im Haus bleiben?«, fuhr er mich mit vor Zorn verzerrtem Gesicht an. Seine Wangenmuskeln zuckten, und seine stahlgrauen Augen waren schneidend wie Messer. Ich trat unwillkürlich einen Schritt zurück.
»Sophia hielt es hier drin nicht mehr aus«, stammelte ich kindisch.
»Hast du nicht mehr Verstand, als eine alte Frau bei einem solchen Leichtsinn auch noch zu unterstützen?« Sein verkniffenes Gesicht, die ungewöhnliche Blässe zeigten das Ausmaß seiner Besorgnis um Sophias Zustand, aber trotzdem schmerzte der barsche Tonfall. Ich musste schlucken und umschlang meinen Oberkörper mit den Armen, wie ich es als Kind getan hatte, wenn niemand sonst mich in den Arm nehmen wollte.
»Woher hätte ich wissen sollen, dass dieser Mensch Sophia dermaßen aufregen würde?« Langsam stieg Ärger über die Ungerechtigkeit der Anschuldigung in mir auf. »Und woher hätte ich wissen sollen, dass sie Herzprobleme hat?«, verteidigte ich mich empört.
»Wo ist sie jetzt?«
Es interessierte ihn überhaupt nicht wirklich, was geschehen war. Er suchte nur einen Sündenbock, an dem er sich abreagieren konnte!
Resigniert deutete ich mit dem Kopf Richtung Küche.
Ohne einen weiteren Blick auf mich stürmte er dorthin. Riss die Tür auf, um sie sofort sehr behutsam wieder zu schließen. Seine laute Stimme mischte sich mit dem beruhigenden Bariton des Notarztes, der allmählich die Oberhand gewann, bis ich nur noch das melodiöse Auf und Ab hörte.
Als die Tür sich endlich knarrend öffnete, sah ich als Erstes den breiten Rücken eines Sanitäters. Behutsam hoben sie die Räder der Bahre über die Schwelle. Sophia wirkte winzig zwischen den Laken. Ihr Gesicht war immer noch erschreckend blass, obwohl die senkrechte Falte zwischen den Augenbrauen sich gelöst hatte und sie ruhig atmete.
»Wie geht es ihr?«, flüsterte ich.
»Ihr Zustand ist so weit stabil. Wir transportieren sie jetzt nach Bristol ins
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