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Schwarzer Purpur

Schwarzer Purpur

Titel: Schwarzer Purpur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Wahl
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nicht vergehen.
    Wie eine Schlafwandlerin ging ich aus dem Zimmer, stieg die Treppe hinauf und öffnete die Tür zu dem Zimmer, das Jonathan bewohnt hatte. Sofort umgab mich die tröstliche Gegenwart seiner Spuren. Im Raum roch es noch nach seinem Rasierwasser, auf dem Boden stand sein ordentlich gepackter Koffer, und auf dem Tisch lag ein in Papier gewickeltes Päckchen, das den vertrauten Duft von Jonathans Kaffeemischung mit Koriander verströmte.
    Rosie hatte die Bettwäsche noch nicht abgezogen. Ich setzte mich aufs Bett und griff nach dem Kopfkissen, wie ein Trost suchendes Kind, vergrub mein Gesicht darin und versuchte, noch einen Rest von Jonathans Gegenwart zu spüren. Nie wieder würde ich sein lachendes Gesicht sehen, seine Art, spöttisch den Mund zu verziehen, bevor er eine seiner kleinen Bosheiten äußerte.
    Endlich ließ ich den aufsteigenden Tränen freien Lauf. Und als wäre ein Damm gebrochen, überflutete mich der Kummer. Nicht nur über den Verlust von Jonathan – auch um meine Mutter, ihre Liebe zu mir, die ich nie als solche erkannt hatte, und den Vater, den ich niemals kennen lernen würde.
    Irgendwann schlief ich vom heftigen Schluchzen erschöpft ein. In meinem Kopf tauchten seltsame Bilder auf. Meine Mutter, die mir verzweifelt etwas zu sagen versuchte. Ich konnte sehen, wie sie den Mund bewegte, aber ich hörte nichts. Marks Umrisse tauchten hinter ihr auf, und ich streckte die Arme nach ihm aus, aber er starrte mich nur finster an und machte keine Anstalten, näher zu kommen. Stattdessen trat er beiseite, und Jessica grinste mich höhnisch an, in seinen Arm geschmiegt.
    Ich konnte den Anblick nicht ertragen, aber ich konnte auch nicht wegsehen. Ein Eisenring hatte sich um meinen Kopf gelegt und zog sich immer enger zusammen, bis ich vor Schmerz stöhnte.
    »Was machst du hier?«, riss Marks Stimme mich aus dem Alptraum. »Ich habe dich schon überall gesucht.«
    Ich versuchte die geschwollenen Lider zu öffnen, aber das grelle Licht war so unangenehm, dass ich sie schnell wieder schloss und den Kopf abwandte.
    »Sophia geht es schon wieder ganz gut. Der Arzt meinte, sie würde bis morgen schlafen.« Die Matratze sank ein, als er sich zu mir aufs Bett setzte und gedankenverloren begann, meine Rückseite zu streicheln.
    »Gut«, sagte ich zutiefst erleichtert, hielt aber mein Gesicht abgewandt, weil ich nicht wollte, dass Mark mich so verheult sah. Meine Augen brannten, und die hämmernden Kopfschmerzen waren so stark, dass ich beide Handflächen an die Schläfen presste, um mir Erleichterung zu verschaffen.
    »Ich hatte eigentlich erwartet, du würdest dich mehr freuen!« Er klang enttäuscht.
    »Ich habe schreckliche Kopfschmerzen«, sagte ich gepresst und hoffte, dass Mark das verstehen würde.
    Abrupt zog er seine Hand zurück. »Natürlich. – Ich hätte mir denken können, dass du immer noch sauer bist!«
    »Ich bin nicht sauer! Ich habe Kopfschmerzen.«
    »Dann werde ich dich sofort in Ruhe lassen, Madam Rührmichnichtan!«, sagte er beleidigt und stand auf.
    Die Ungerechtigkeit seiner Anschuldigung, ich schöbe meine Kopfschmerzen nur vor, kränkte mich so, dass ich den Kopf aus den Kissen hob und vorschlug: »Du kannst ja zu Jessica gehen, dich ausweinen!«
    Sein Rücken in der Türöffnung erstarrte, dann sackten die Schultern müde herab, und er sagte: »Verdammt, wenn du sowieso zickig bist, kann ich dir genauso gut einen Grund für deine Eifersucht geben.« Ich zuckte zusammen, als er die Zimmertür hinter sich zuschmetterte, und lauschte entsetzt über mich seinen sich entfernenden Schritten auf der Treppe nach.
    Was hatte mich nur getrieben, etwas so Blödsinniges zu sagen? Am liebsten wäre ich Mark hinterhergelaufen, um mich zu entschuldigen, ihm alles zu erklären. Aber der Eisenreif umklammerte meinen Kopf, und die starken Schmerzen lähmten mich. Das Hämmern in meinen Schläfen wurde so stark, dass ich ins Bad taumelte, um mir von dem Aspirin aus dem Wandschränkchen zu holen. Ich schluckte drei Tabletten und kroch in mein Bett.

Kapitel 10:
Trennungen
    Der peitschende Regen, dessen Trommeln am Fenster mich weckte, passte zu meiner Stimmung. Wenigstens waren die Kopfschmerzen verschwunden. Im Badezimmerspiegel sah mir ein fleckiges, aufgedunsenes Gesicht entgegen. Ich erkannte mich selbst kaum wieder. So konnte ich mich Mark unter keinen Umständen zeigen! Entsetzt füllte ich das Becken mit kaltem Wasser und tauchte mein Gesicht so lange hinein, bis es wieder

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