Schwarzer Purpur
wirklich: Obwohl ich nicht hätte sagen können, was genau sie getan hatte – als Samantha endlich ihre Pinsel sinken ließ, sah ich umwerfend aus!
Die Künstlerin lächelte eine Spur herablassend und erklärte, wenn man die einzelnen Farben sehen könnte, sei es ein schlechtes Make-up. »Wie beim Kochen: Wenn man ein Gewürz herausschmeckt, hat man etwas falsch gemacht.« Sie lächelte Jonathan komplizenhaft im Spiegel zu, während sie mir die Kosmetikartikel einpackte.
Der erwiderte ihr Lächeln abwesend, während er mich kritisch von Kopf bis Fuß betrachtete und zufrieden nickte.
»Der Vormittag hat sich gelohnt. Ich wollte schon immer Professor Higgins spielen und einen Rohdiamanten veredeln.«
Kapitel 5:
Dark Mark
Der veredelte Rohdiamant näherte sich seinem Zielort nur zögerlich. Einerseits umgab mich das neue Outfit wie ein Schutzschild, in dem es mir leicht fiel, neue Schritte zu wagen. Andererseits schreckte ein Teil meines Ichs vor dieser Zurschaustellung zurück. Selbst der Wechsel zu Jeans und Shirts war im Grund nur ein Wechsel von einer Uniform zur anderen gewesen: Beide hatten mich in meine jeweilige Umgebung integriert, mir sozusagen den passenden Stallgeruch verliehen, um nicht aufzufallen.
In diesem ungewöhnlichen Kleid aber stach ich zum ersten Mal deutlich von meiner Umgebung ab. Selbst mit magentafarbenen Haaren und einer Hundekette hätte ich auf dem Weg zur Flower Show eher eine Chance gehabt, einem Gegenstück zu begegnen.
Wenigstens interessierte sich hier tatsächlich niemand für das Aussehen seiner Mitmenschen. Vermutlich wäre ein Marsbewohner nur als besonders modemutig eingestuft worden.
Zunehmend sicherer werdend schob ich mich – mit Hilfe der gestern gewonnenen Erfahrung und unter Einsatz der Ellenbogen – durch die Menge. Die Grand Marquee war allerdings so überlaufen, dass dort auch diese Technik nicht mehr weiterhalf. Zentimeterweise ging es voran. In England musste es wirklich unerschöpfliche Massen von Blumen-Begeisterten geben.
Purple Passion war erwartungsgemäß umlagert. Ich blieb hinter einer Rankwand voller Clematis stehen und beobachtete Mark Abernathy von weitem. Heute trug er eine schwarze Lederhose und ein weites, tief dunkelrotes Hemd, dessen Ärmel er wieder bis zu den Ellenbogen hochgekrempelt hatte. Die dunklen Farben verliehen seiner Erscheinung etwas Finsteres. Er neigte den Kopf zu seinem Gesprächspartner, einem eifrig kritzelnden Glatzkopf, und runzelte unwillig die Stirn. In diesem Moment hätte ich ihm nicht gerne gegenübergestanden. Im nächsten Moment aber warf er den Kopf zurück und lachte, dass seine Zähne blitzten. Der Glatzkopf – offensichtlich ein Reporter – steckte mürrisch seinen Block wieder ein und ging Kopfschüttelnd weiter.
Ich verließ meine Deckung, und obwohl er mir inzwischen den Rücken zugewandt hatte, drehte Abernathy sich plötzlich um, als hätte er meinen Blick gespürt. Das Aufblitzen der Silberaugen signalisierte Erkennen – und Erstaunen. Als ich näher kam, verzog sein Mund sich zu einem stummen Pfiff.
»Volle Kriegsbemalung – es wird gefährlich«, kommentierte er anerkennend.
Ich fühlte, dass ich wieder errötete. Das passierte mir bei ihm viel zu häufig, und so sagte ich schnell: »Ziehen Sie bitte keine falschen Schlüsse! Ich bin später noch verabredet.«
»Keine Angst, ich käme nie auf den Gedanken, dass Sie sich für mich so zurechtmachen. Wer ist denn der Glückliche?« Die Frage überrumpelte mich. »Ich wüsste nicht, was Sie das anginge«, wies ich ihn zurecht.
»Hatten wir uns nicht vorgenommen, uns besser kennen zu lernen?« Die unschuldige Miene konnte das süffisante Grinsen nicht ganz überdecken. »Oder habe ich das missverstanden?«
»Ich frage Sie ja auch nicht, wen Sie mit Ihrem Chippendale-Look beeindrucken wollen«, schoss ich zurück.
Er hob die Brauen und schüttelte tadelnd den Kopf. »Das geht jetzt aber zu weit. – Außerdem ist es ein unpassender Vorwurf: Diese Hose ist zum Strippen ganz und gar ungeeignet.« Unwillkürlich senkten sich meine Augen auf das erwähnte Kleidungsstück, das sich eng um seine Hüften schmiegte. Trotz seiner lässigen Körperhaltung zeichnete sich die Oberschenkelmuskulatur deutlich unter dem weichen Leder ab. Es zeigte ganz entschieden mehr von ihm als die Jeans oder der Anzug. Wollte er mich provozieren?
Ein unauffälliger Mann mittleren Alters drängte sich zu uns durch und nickte mir zu. »Hier, Chef«, mit diesen Worten reichte
Weitere Kostenlose Bücher