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Schwarzer Purpur

Schwarzer Purpur

Titel: Schwarzer Purpur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Wahl
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Sehen Sie den Purpurton bei schräg einfallendem Licht?« Mit einem langen Arm rückte er die Schale etwas zurecht und fuhr fort: »Seltsamerweise sind manchmal gerade die dunkelsten Blütenfarben mit dem stärksten Duft gekoppelt. Bartnelken gibt es in allen Rot- und Rosatönen bis hin zu Weiß, aber diese Sorte hier riecht am besten.«
    Er zog vorsichtig einen Stängel aus dem Gesteck und hielt ihn mir unter die Nase. Er hatte Recht: Ein so starker Duft war mir an Bartnelken bisher noch nicht aufgefallen. Von weitem hatte ich den Blütenbusch für schmutzig schwarz gehalten, aus der Nähe aber glühte im Hintergrund der samtigen Blütenblätter ein feuriges Purpurrot.
    »Wie schön«, entfuhr es mir unbedacht.
    Mark Abernathy warf mir einen kurzen Seitenblick zu, tat aber so, als habe er es nicht gehört. Ich riss mich zusammen.
    Begeisterung gehörte nicht zu meiner Rolle! Aber es fiel mir zunehmend schwer, meine gelangweilte Miene beizubehalten. Besonders die orientalischen Christrosen-Hybriden mit der Unterpflanzung aus tiefviolett glänzendem Günsel stellten meine Selbstbeherrschung auf eine harte Probe.
    »Das ist ja alles ganz schön und gut, aber mir fehlt da etwas. Wo haben Sie denn nun Ihre wirklich schwarzen Pflanzen? Zu Hause versteckt?«, fragte ich schließlich, ganz clevere Geschäftsfrau.
    »Vielleicht«, antwortete er so abwesend, dass ich fast sicher war, er hatte mir überhaupt nicht zugehört. Sein Blick ruhte intensiv auf mir, nachdenklich. Ich begann mich unbehaglich zu fühlen.
    »Wollen Sie morgen mit mir lunchen?«, fragte er auf einmal so unerwartet, dass ich im ersten Moment meinen Ohren nicht traute. »Wir sollten uns wirklich ein klein wenig besser kennen lernen, wenn wir schon Geschäfte miteinander machen, finden Sie nicht?«
    Mein Herzschlag beschleunigte sich, noch ehe er fertig gesprochen hatte. Es war verrückt, aber die Vorfreude darauf ließ kleine Raketen durch meine Adern flitzen. Bemüht, mir nichts anmerken zu lassen, akzeptierte ich so gelassen wie möglich.
    »Wir treffen uns am besten hier am Stand. Schaffen Sie es bis eins? Sonst treffe ich Sie am Eingang«, bot er überraschend an.
    »Nicht nötig«, lehnte ich sein Angebot ab und verabschiedete mich. »Ich werde hier sein. Bis morgen.«
    Das Gelände hatte sich überraschend schnell geleert. Die Gruppen uniformierter Ordnungshüter mit ihren altertümlich anmutenden, voluminösen Funkgeräten statt der kleinen Headsets der privaten Securityleute musterten mich, aber es war mir gleichgültig. Ich fühlte weder meine schmerzenden Füße noch die blauen Flecken von den diversen Ellenbogenkämpfen.
    Etwas von meinem Gefühlszustand musste sich an der Oberfläche abzeichnen, denn Jonathan warf nur einen Blick auf mich, nachdem ich bei ihm geklingelt hatte, und diagnostizierte: »Du hast einen interessanten Mann getroffen!«
    Er schloss die Tür hinter mir, führte mich in die Küche, drückte mich auf einen Stuhl und befahl: »Erzähl mir alles. Wer ist er?«
    »Sagt dir der Name Mark Abernathy etwas?«
    Seine Augenbrauen schossen hoch, er starrte mich ungläubig an: »Natürlich – wer kennt ihn nicht? Den hast du doch gestern erst getroffen. Das ging aber schnell! Liebe auf den ersten Blick, was?«
    Mein Schnauben als Antwort war sicher nicht sehr damenhaft, aber es drückte perfekt meine Gefühle aus.
    »Eieiei, das scheint interessant. Lass hören!«, forderte Jonathan begeistert.
    Also berichtete ich von dem ungemütlichen Termin in der City, Abernathys schwierigem Charakter, seiner Unhöflichkeit, seiner übertriebenen Empfindlichkeit, seiner scharfen Zunge, seinen bösartigen Interpretationen … »Und morgen treffen wir uns zum Lunch«, beendete ich meinen Bericht. Jonathan murmelte etwas Unhörbares, wandte sich ab und schenkte jedem von uns ein Glas Orvieto ein. »Das muss man begießen«, murmelte er gedankenverloren. »Hier, trinken wir auf eine unerwartete Wendung.«
    Seine Reaktion kam mir merkwürdig vor. Ich setzte mein Glas ab und fragte argwöhnisch: »Was genau stimmt nicht mit diesem Mark Abernathy? Du weißt mehr über ihn, oder?«
    Jonathan zuckte mit den Schultern und machte sich wieder daran, das hellgrüne Kraut zu schneiden, mit dem er vorher beschäftigt gewesen war.
    »Was heißt schon wissen? Man munkelte nur, er sei nicht an Frauen interessiert. Eine Art Frauenhasser. Schau, schau …«
    Der Duft, der vom Schneidebrett zu mir herüberwehte, erregte meine Aufmerksamkeit. Ich hatte heute nicht

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