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Schwarzer Purpur

Schwarzer Purpur

Titel: Schwarzer Purpur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Wahl
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bezeichnet. Aber warum sollte diese wildfremde Frau, die ich zum ersten Mal traf, mir eine derart unverhohlene Abneigung entgegenbringen?
    Jonathan nahm das Tablett zwar mit glänzenden Augen entgegen, seine Reaktion auf den »Zimmerarrest« jedoch war eher Entrüstung. Unbeeindruckt von seiner empörten Miene knickste Rosie wie ein Schulmädchen und fragte errötend, ob sie ihm nachher ihre Küche zeigen dürfe und ob er wohl bereit wäre, ihr den einen oder anderen kleinen Tipp zu geben? »Die Sachen, die Sie im Fernsehen immer weglassen«, nannte sie es.
    »Aber gerne doch«, versicherte Jonathan ihr und fügte spitz hinzu: »Holen Sie mich einfach ab, wenn meine … Einzelhaft beendet werden darf.«
    Rosie schien tatsächlich sanft zu erröten – und sauste dann mit wieselflinker Geschwindigkeit, die man der schweren Person gar nicht zugetraut hätte, vor mir her die Treppe hinunter. Sie führte mich unten durch das Esszimmer mit seinem riesigen Refektoriumstisch und der geschnitzten Anrichte auf ein paar Flügeltüren zu, vor denen sich ähnlich duftige Gardinen bauschten wie in meinem Zimmer. Unvermittelt hielt sie mitten im Schritt inne, deutete mit einer prankenähnlichen Hand auf die offen stehenden Türflügel und sagte: »Mrs. A. ist da draußen.«
    Sophia Abernathy saß – nein: thronte – in einem geflochtenen Pfauensessel neben einem passenden Beistelltisch und goss gerade Tee in zwei chinesisch gemusterte Steinguttassen. Bei einer fehlte der Henkel, und die andere hatte abgeschlagene Stellen am Rand, aber sie behandelte sie, als seien sie unbezahlbare Raritäten. Die Jeans und das ausgefranste Hemd hatte sie mit einem wadenlangen Tweedrock und einer weißen Bluse vertauscht. Weder der Fleck auf der Manschette noch das leere Knopfloch mit dem abstehenden Faden, der einen fehlenden Knopf signalisierte, machten sie auch nur um ein Jota weniger beeindruckend.
    »Setz dich, Verena. Ich darf doch Verena sagen?«
    Mit einer königlichen Geste bedeutete sie mir, ihr gegenüber Platz zu nehmen, und reichte mir die Tasse mit dem abgeschlagenen Rand.
    »Ich hoffe, er schmeckt dir. Rosie hat extra den Sonntagstee aufgebrüht«, eröffnete sie die Partie. Hellwache Augen nahmen mich unter die Lupe und registrierten jedes Detail zwischen meinen obersten Haarspitzen und den Sohlen meiner »Mut-Schuhe«. Schließlich nickte sie, offenbar zufrieden, und trank vorsichtig aus ihrer henkellosen Tasse. »Das sind die letzten beiden Tassen aus dem Service, das mein Mann mir zum dreißigsten Geburtstag geschenkt hat«, informierte sie mich. »Ich benutze sie nur selten.«
    Ich murmelte ein paar Worte des Bedauerns und fragte mich im Stillen, wieso sie sich nicht davon trennen konnte. Bedeutete es ihr so viel? Und was beabsichtigte sie damit, es ausgerechnet jetzt zu benutzen? Was wollte sie mir damit mitteilen? Nervös wartete ich ab. Wenn sie über das Wetter gesprochen, mich nach der Fahrt oder anderen unverfänglichen Dingen gefragt hätte, wäre ich höflich darauf eingegangen. Aber nach der verwirrenden Einleitung war mir völlig unklar, wie ich mich verhalten sollte.
    Sophia überraschte mich, indem sie ihre Hände fest im Schoß faltete, tief Atem holte und sagte: »Ich bin eine alte Frau und kann es nicht leiden, um den heißen Brei herumzureden. Was bedeutet dir mein Enkel?«
    Vor der Distanzlosigkeit dieser Frage zuckte ich im ersten Moment zurück, dann merkte ich, wie Ärger in mir aufstieg. Was ging sie das an, was Mark und mir selbst noch unklar war? Aufgebracht öffnete ich schon den Mund, um eine brüske Antwort zu geben, als ich die Anspannung in ihren Augen und um ihren Mund wahrnahm.
    Sophia Abernathy war sicher eine mutige Frau, aber es hatte sie offensichtlich einige Überwindung gekostet, mir diese Frage zu stellen. Nach dem, was Jonathan mir im Zug erzählt hatte, war ihr Enkel alles, was ihr noch am Herzen lag. Die Sorge, die ich jetzt in den Tiefen der kühlen, grauen Augen erkennen konnte, rührte mich. Sie hatte ein Recht auf eine offene Antwort.
    Aber ich konnte nicht einfach sagen: »Ich liebe ihn.« Dafür war es noch zu früh. Also gut, ich war verliebt, sogar bis über beide Ohren. Aber würde das reichen? Bei meinen Eltern hatte es nicht gereicht. Und ich war nicht mehr zwanzig. Ich würde nicht wieder den Fehler begehen, Liebe mit Verliebtheit zu verwechseln.
    »Es … es ist nicht so einfach«, versuchte ich in widerspenstige Worte zu fassen, dass ich es nicht fertig brachte, zu sagen,

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