Schwarzer Rauch
erledigt war. Ich konzentrierte mich auf das Chaos, holte kurz tief Luft, um mich zu sammeln und rief dann »Ordnung!«. Schon flog alles durch die Gegend und stellte sich wieder an seinen vorgesehenen Platz. So machte selbst Aufräumen Spaß!
Als das erledigt war, fielen Darian und ich nur noch ins Bett. Eigentlich mussten wir nicht schlafen. Manchmal jedoch passierte einfach zu viel, um wach zu bleiben. Das Gehirn musste auch mal abschalten können. Ein, zwei Stunden Schlaf würden uns gut tun, um auf andere Gedanken zu kommen. So kuschelten wir uns aneinander und schliefen kurz darauf ein.
Weil das Unterbewusstsein im Schlaf das Bewusstsein dominierte, bahnten sich im Schlaf ganz andere Gedanken ihren Weg zu mir als im wachen Zustand. Vielleicht verstand ich während der Wach-Phasen diese anderen Gedanken auch einfach nicht.
Heute erreichte mich ein sehr starker Gedankenstrom. Er fühlte sich bekannt an. Mein Inneres konzentrierte sich stärker und ich konnte erkennen, dass es sich um dieselbe Gedankensignatur wie heute im Garten handelte. Die Wut dominierte immer noch. Wut auf etwas ganz Bestimmtes. Hass mischte sich darunter. War es Selbsthass? Ich konnte es nicht genau deuten. Darüber lag eine Decke aus Zweifel. Unendliche Existenzzweifel. Eine seltsame Mischung. Ich versuchte, den Strom mental zurückzuverfolgen, schickte meinen Geist los. Als ich das Ende des Bandes gefunden hatte, prallte ich gegen eine ungewohnt starke Barriere, die verhindern sollte, dass welche wie ich die Gedanken dahinter erkennen konnten. Der starke Aufprall auf die mentale Wand riss mich aus dem Schlaf.
Darian blinzelte mich gähnend an: »Was ist passiert? Ich habe etwas gespürt.«
»Es war irgendwie seltsam«, antwortete ich ihm und erklärte, was vorgefallen war.
»Vielleicht müsstest du mal mit irgendjemand darüber sprechen. Ein anderer Telepath kann dir sicherlich erklären, wie du vorgehen musst, wenn du auf solche Wände prallst. Ist Präkognition nicht eine Erweiterung der mentalen Fähigkeiten? Dann müsste Aurelia doch auch Telepathin sein, oder?« Darian sah mich fragend an. Wieder einmal sprach er das Offensichtliche aus, auf das ich nicht gekommen war. Aurelia könnte mir vielleicht alles darüber erklären. Alles, was Selena mir bisher verschwiegen hat, obwohl sie ebenfalls Telepath, meine Anführerin und sogar meine Mentorin war.
Die dunkle Seite
Es war um die Mittagszeit, als wir bei Aurelias Büro ankamen. Auf den Fluren wimmelte es von Neulingen und ihren Begleitpersonen. Sie waren vermutlich alle auf der Suche nach dem Speisesaal. Mir war die Lust vergangen, weiterhin sinnlos umherzuirren. Ich sandte meine Gedanken aus, bis wir erneut einem Silberfaden folgen konnten. Sehr praktisch und in dem Irrgarten hier beinahe unerlässlich.
Aurelia schien sich aufrichtig über unseren Besuch zu freuen. Sie schloss mich herzlich in die Arme und küsste mich auf die Wangen. Dann erschauderte sie kurz und redete etwas von »Blutmond« und »sehr speziellen Kräften« . Ich verstand es nicht, wollte aber auch nicht nachhaken, da mir ganz andere Fragen vorschwebten.
»Du bist sehr wissbegierig, junge Victoria«, begann sie. »Was ich dir nicht verübeln kann. Nicht viele von uns hatten in dem Alter so viel Macht oder bereits Kontakt mit dem Dunklen. Daher will ich offen zu euch sein. Fragt mich, was immer ihr wollt, ich werde wahrheitsgemäß antworten. Man sieht ja, was diese Heimlichtuerei des Rates zur Folge hat: Das Umbrae Lunae reist schutzlos in der Gegend herum und die, die es verteidigen müssen, sind noch nicht ausreichend ausgebildet. Versteht ihr, was ich an unserer Politik kritisiere?« Sie war aufgebracht, ihre Aura schimmerte in einem hellroten Ton. Also nickte ich nur. Darian ebenfalls.
Aurelia atmete dreimal kurz durch und war wieder sie selbst. Freundlich, ruhig und gelassen. Das Rot lief an ihr herunter und versickerte im Nichts. Fragend sah sie uns an.
Wo sollte ich nur anfangen? Es gab tausende Fragen. Vielleicht sogar noch mehr.
Darian kam mir zuvor: »Was gibt es da draußen noch alles?«
»Das kann ich dir nicht sagen, lieber Darian.«
»Müssen wir etwa erst in dem Buch nachschlagen? Du wolltest doch ehrlich und offen zu uns sein.«
»Es liegt nicht daran, dass ich es euch nicht erzählen will. Ich kann es euch nicht sagen, weil ich selbst nicht alles da draußen kenne. Im Grimoire steht vermutlich sogar vieles, was noch nicht einmal ich als Anführerin weiß. Ich bin noch nicht
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