Schwarzer Rauch
glauben, dass sie tatsächlich etwas über unseren Stand verriet, wie Darian es bei Mandy genannt hatte.
Nun konnte ich es kaum erwarten, meinen Stein zu sehen.
»Ihr seid nun offizielle Würdenträger«, schloss Aurelia die Zeremonie. »Mit der Wahl wurdet ihr mit dem Ersten Grad der Würde der Nacht ausgezeichnet und seid nun ein wichtiger Teil der Gemeinschaft und der Zukunft. Unser aller Zukunft.«
Sie senkte kurz den Kopf und verabschiedete uns förmlich. Schließlich waren wir jetzt Würdenträger. Was auch immer das bedeuten sollte. Entweder hatte ich im Unterricht etwas verpasst oder solche Dinge gehörten zum zweiten Halbjahr. Ich musste später unbedingt Darian dazu befragen.
Elric und ich gingen wieder zurück an unseren Tisch. Tina nahm sofort Elrics Kette in die Hand und musterte sie ausgiebig. Darian umarmte mich kurz und war dann ebenso gefesselt von meiner Kette.
»Sieht sie genauso aus wie die von Elric?«, fragte ich ihn neugierig. »Ich kann sie von hier aus nicht sehen.« Ich drückte mein Kinn so weit wie möglich auf die Brust, der Anhänger berührte fast mein Kinn. So konnte ich ihn natürlich nicht sehen.
»Er sieht sogar noch besser aus«, versicherte mir Darian. »Du bist der eigentliche Wahlsieger, Elric ist nur Sekundant.«
»Ich wusste gar nicht, dass man das an unseren Ketten ablesen kann«, wiederholte ich meinen Gedanken von vorhin.
»Nicht nur deinen Stand«, beantwortete Elric an Darians Stelle meine Frage. »Man kann auch erkennen, wessen Kette es ist. Sobald man eine Würde erhalten oder die Ausbildung abgeschlossen hat, verändert sich die Kette ganz individuell. Man kann aus ihr lesen, wie viel Talent der Besitzer hat, wie viele Gaben er besitzt. Daher ist jeder Anhänger mit seinem Besitzer verbunden. Du kannst aus ihm Macht borgen, um einen großen Zauber zu vollführen oder noch mehr. Wusstest du das nicht?« Elric kam mit seinem Lunaer-Wissen an, als wäre es alltäglich.
Darian sah ihn vorwurfsvoll an. »Nicht jeder kommt aus einer alten Familie wie du. Und so viel ich gehört habe, ist es dir untersagt, in die Ausbildung einzugreifen.« In Gedanken sandte er mir nur ein »Ich erkläre dir später alles.«
Damit war die Sache für mich erstmal abgehakt. Da das Büffet bereits eröffnet worden war und mein Magen auf Höhe meiner Knie hing, bat ich meinen Begleiter, gemeinsam mit mir Essen zu besorgen. Wir stellten uns in der Schlange an den endlosen Tischen an, die mit sämtlichen Köstlichkeiten der Welt bedeckt zu sein schienen. Was durchaus Sinn machte, schließlich war die ganze Welt hier zu Gast in London.
Nachdem wir uns endlos die Bäuche vollgeschlagen hatten, begann die eigentliche Party. Natürlich wurden Elric und ich von vielen Neulingen umringt, die die Ketten bewunderten und uns über unsere Ideale ausquetschten.
Vielleicht waren sie aber auch von ihren Mentoren geschickt worden, um in Erfahrung zu bringen, in welche Richtung unsere »Politik« führen sollte. Schließlich war ich jetzt offizielles Ratsmitglied und Elric mein Stellvertreter, für den Fall, dass mir etwas zustoßen würde. Ratsmitglied! Zumindest für die Zeit bis zu unserem Schlaf.
Wir lernten viele interessante Leute kennen und erfuhren im Smalltalk vieles über die Gemeinschaften in anderen Teilen der Welt.
Als sich der Saal langsam leerte und ich vom vielen Reden regelrecht entkräftet war, machten wir uns auf den Weg zu unserem Zimmer. Wir passierten Aurelias Büro und bemerkten sofort, dass dort die Tür einen Spalt weit offen stand. Was sicherlich nicht beabsichtigt war, wo sich hinter ihr ein so großer Schatz befand.
Diebstahl
Mein Magen zog sich zusammen. Das ungute Gefühl wurde noch verstärkt, als ich in dem Raum jemanden liegen sah. Den Schuhen nach zu urteilen musste es eine Frau sein. Mehr als die Beine konnte ich durch den Türspalt nicht erkennen. Ich drückte Darians Hand. Er versteifte sich merklich, als auch er die Gefahr spürte.
Wie Männer so sind, drückte er die Tür dennoch auf und sah hinein. Ich konnte einen Aufschrei nicht unterdrücken, als ich erkannte, wer dort blutend auf dem Boden lag. Es war Aurelia. Direkt neben ihr, was ich vom Flur aus nicht gesehen hatte, lag eine völlig verstümmelte Mandy. Ihr Kopf war unnatürlich verdreht, Arme und Beine standen in allen möglichen Winkeln ab. Beim Blick auf ihr Gesicht kam mir beinahe das Essen wieder hoch: Der Schreck und die Angst hatten ihre Augen weit geöffnet, der Mund war zu einem Schrei
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