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Schwarzer Rauch

Schwarzer Rauch

Titel: Schwarzer Rauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Hasse
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Kampf war entschieden. Die Mondkinder vor mir fielen sich in die Arme oder brachen vor Erschöpfung zusammen.
    Da sah ich ihn: Er war Elric wie aus dem Gesicht geschnitten, vielleicht fünf bis zehn Jahre älter. Aber die Ähnlichkeit war nicht zu übersehen.

Verloren
     
    Darian
     
    Als ich bei Aurelia ankam, versuchte Lenja gerade, Vic wiederzubeleben. Sie schien nicht in dem normalen Trance-Zustand zu sein, in dem sich die Telepathen bei einer Präkognition sonst immer befanden. Ihr Herz schlug nur noch wenige Male pro Minute. Doch so sehr sich Lenja auch anstrengte, selbst mit Hilfe ihres Mondsteines gelang es ihr nicht, Victoria wieder aus diesem seltsamen Koma zu holen.
    »Wie ist das passiert?«, flossen die Worte aus mir. Ich musste die Augen mehrmals zusammenkneifen, um meine Tränen zurückzuhalten. »Hat sie sich etwa verloren?« Bitte, bitte, bitte, Gott, lass sie nicht sterben.
    Doch so sehr ich mich innerlich von dem Gedanken abwandte, er kam immer wieder bedrohlich näher. Es hieß schließlich, wer sich auf der Lunar-Ebene verlor, starb.
    »Jetzt denk doch nicht gleich an das Schlimmste, Darian.« Aurelia sprach ihre Worte in einem viel zu gezwungenen beruhigendem Ton, als wolle sie auch sich selbst überzeugen. »Ich habe schon davon gehört, dass sich jemand in den Ebenen verlaufen hat. Doch mir ist nicht bekannt, dass der Körper trotzdem noch am Leben war. Victorias Herz schlägt nach wie vor. Nur sehr, sehr langsam. Als befände sie sich auf einer höheren Meditationsebene. Das haben wir noch nie gesehen oder gehört.« Sie schloss mit einer Kopfbewegung Lenja mit ein. »Wir werden sie da wieder herausholen. Ich verspreche es dir.«
    Sie sah mich so mitfühlend und gleichzeitig tröstend an, dass ich mich nicht mehr beherrschen konnte. Meine Wangen wurden feucht. Schnell wischte ich mit meinem Arm darüber. Das Ergebnis war binnen Sekunden vernichtet.
    Mir gingen so viele Dinge durch den Kopf. Warum sie? Warum auf diese Weise? Herr, Gott, bitte schick sie da heraus. Ich nahm Vics Hand und drückte sie gegen meine Wangen. Dann küsste ich sie auf die Handflächen. Ich schluchzte laut auf. Vic, komm zu mir zurück! Ich schrie sie mit diesem Gedanken förmlich an. Es muss so laut gewesen sein, dass Aurelia zusammenzuckte. Sie blickte Lenja in die Augen und diese nickte dann.
    Dann ließ Lenja Victorias Hand los. Hatte sie sie etwa aufgegeben?
    N-E-I-N!
    Das Wort echote durch meinen Kopf, als wäre dieser eine gigantische Höhle, die mich mit dem Vielfachen meines Schmerzes konfrontierte.
    Lenja nahm meine Hand. Unmittelbar darauf spürte ich eine Stärkung und Beruhigung, die mich wieder tief durchatmen ließ. Ich konnte endlich wieder klar denken und ohne Schluchzer sprechen. »Was können wir tun?«
    »Abwarten. Ihr Geist wird wieder zu ihrem Körper finden. Daran habe ich keinerlei Zweifel.« Noch ehe Aurelia den Mund öffnen konnte, sprach Lenja diese Worte voller Überzeugung aus. Dies gab mir erneut Kraft. Ich straffte meinen Körper, nahm Victorias Hand und drückte sie wieder ganz fest.
    Lenja nahm erneut ihren Dienst als Heilerin auf. Stunde um Stunde verging – ohne die kleinste Besserung von Vics Zustand. Sie saß immer noch reglos da, die eine Hand in meiner, die andere in Lenjas. Auch Aurelia hatte sich mehrmals auf die Lunar-Ebene begeben, um nach ihr zu suchen. Immer wieder. Ohne Erfolg. Sie war verschwunden.
    Irgendwann begannen die Tränen wieder zu fließen. Lenjas Zauber war verbraucht.
    »Sie kommt zurück, glaub mir!« Nun schwangen auch in Lenjas Worten die ersten Zweifel mit. Sie wirkte nicht mehr so zuversichtlich wie zuvor.
    Weitere Stunden und viele Reisen von Aurelia vergingen. Sie war bereits total erschöpft. Die Übertritte zehrten offensichtlich an ihren Kräften. Doch sie gab nicht auf. Auch Lenjas Macht wurde zusehends überbeansprucht.
    Es verging eine weitere Stunde, ehe meine beiden Mitstreiterinnen den Kampf aufgaben. Aurelia setzte sich total entkräftet auf einen Stuhl, den sie uns gegenüber platziert hatte. Lenja kniete mittlerweile vor Victoria. Ihr Gesicht wirkte um Jahre gealtert. Eine Träne rollte ihr über die Wangen. Sie blickte schüchtern zu Boden. Elfen waren Gefühle fremd. Man hatte ihnen antrainiert, ihren Job ohne Emotionen zu erledigen.
    »Nein!«, schrie ich immer wieder. »Komm zu mir, Victoria. Komm zurück!«
    Dieser Gefühlsausbruch war der Tropfen, der bei Lenja und auch bei Aurelia die Tränen zum Überlaufen brachte. Wir saßen da.

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