Schwarzer Regen
sich in seinem Ledersofa zurück, einen Cognac in der einen Hand, die andere stützte sein Doppelkinn. Er hatte mit Büchern wie »Die Mondlandungs-Lüge«, »Das Geheimnis von Roswell« und »Wer Jesus wirklich war« ein Vermögen gemacht und konnte sich seine behäbige Arroganz leisten. Corinna Faller hatte ihn bereits einmal für die
Rasant
interviewt und ihn schon damals für einen aufgeblasenen Wichtigtuer gehalten, aber diese Sorte Mensch war in ihrem Beruf nichts Ungewöhnliches.
Immerhin war Wiesner nicht so ein Vollidiot wie die Todesläufer oder dieser Spinner aus Frankfurt, der sie dauernd anrief und irgendwas von Nostradamus und Verschwörung faselte. Er war einfach nur ein gerissener Geschäftemacher ohne irgendwelche Skrupel, und es war natürlich klar, dass er aus dem Leid der Opfer von Karlsruhe mit haltlosen Verdächtigungen und wilden Verschwörungstheorien Kapital schlagen wollte.
»Wer denn dann?«, fragte Faller.
»Fragen Sie sich doch mal, wer von dem Anschlag profitiert«, sagte Wiesner. »Die Islamisten vielleicht? Die Moslems in Deutschland? Die Regierung des Iran oder Pakistans? Wohl kaum!«
Sie nickte. Wiesner hatte einen berechtigten Punkt, der sich als Einleitung zu seinem neuen Buch gut machen würde. Andererseits hatten Terroranschläge ihren Urhebern wohl noch nie viel genützt. Trotzdem wurden sie immer |250| wieder verübt. »Wir haben es hier doch wohl mit religiösen Fanatikern zu tun«, sagte sie. »Die handeln nicht gerade logisch.«
Wiesner nickte. »Ja, das wollen sie uns einreden, nicht wahr?«
»Wer sind ›sie‹?«
»Na, eben diejenigen, die den Anschlag in Wahrheit geplant und durchgeführt haben!«
»Und wer ist das Ihrer Meinung nach?«
»Junge Frau, wenn ich Ihnen das jetzt verraten würde, dann würden diese Leute Mittel und Wege finden, mich daran zu hindern, mein Buch zu veröffentlichen. Ich würde Sie vermutlich in große Gefahr bringen! Nein, bevor es nicht in den Buchhandlungen liegt, werde ich die Erkenntnis nicht preisgeben.«
Der Mann war ein Marketingprofi, das musste Faller ihm lassen. »Sie behaupten also, mehr über die Hintergründe des Anschlags zu wissen als die Geheimdienste und das Bundeskriminalamt!«
»Aber ganz und gar nicht! Diese Leute wissen sehr gut Bescheid. Nur sagen sie uns nicht, was sie wissen. Wenn sie das täten, dann würden ja die ganzen Zusammenhänge klar.«
»Zusammenhänge? Was für Zusammenhänge?«
»Der Untergang der Titanic. Die Ermordung des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand 1914. Der Vertrag von Versailles. Hitlers Machtergreifung. Der Reichstagsbrand. Der Holocaust. Hitlers angeblicher Selbstmord. Die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki, obwohl der Krieg längst entschieden war. Roswell. Die Kubakrise. Kennedys Ermordung. Watergate. Die RAF. Uwe Barschel. Der 11. September. Und jetzt Karlsruhe. Glauben Sie etwa, das war alles Zufall? Diese Sache ist groß! Viel größer, als es sich irgendjemand vorstellen kann!«
|251| »Sie behaupten also, all diese Vorfälle hingen miteinander zusammen?«
»Ich behaupte es nicht nur. Ich weiß es.«
»Und Sie werden in Ihrem neuen Buch Beweise dafür vorlegen?«
»Hieb- und stichfeste Beweise!« Wiesner grinste zufrieden.
Faller hatte sich die Mühe gemacht, eines seiner vorherigen Bücher zu lesen. Es bestand aus einer geschickten Mischung von erwiesenen Fakten, Halbwahrheiten, Mutmaßungen und kühnen Schlussfolgerungen, aus denen Wiesner eine abenteuerliche Geschichte über eine geheime Mondbasis der Amerikaner konstruiert hatte. Das Buch bewies überhaupt nichts. Doch das schien Wiesners zahlreiche Anhänger nicht zu stören. Wahrscheinlich alles Leute, die irgendeinen Schuldigen suchten, den sie für die Misere ihres Lebens verantwortlich machen konnten. Da kamen ihnen Wiesners Verschwörungstheorien gerade recht. Und der Mann konnte immerhin fesselnd schreiben.
»Wären Sie so freundlich und würden unseren Lesern zumindest ein paar Anhaltspunkte dafür liefern, warum die offizielle Erklärung des Bundesinnenministers falsch sein sollte?«
»Aber gern! Wir haben schon darüber gesprochen, dass dieser Anschlag am allerwenigsten denjenigen nützt, die ihn angeblich begangen haben. Wir könnten auch darüber sprechen, wie praktisch es ist, dass alle, die angeblich daran beteiligt waren, bei dem missglückten Angriff eines Sondereinsatzkommandos getötet wurden. Aber stattdessen will ich lieber auf das wichtigste Detail eingehen, über das in
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