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Schwarzer Regen

Schwarzer Regen

Titel: Schwarzer Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Masuji Ibuse
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konnte man beweisen, daß es sich um
ein bloßes Versehen handelte, aber eine Zeitlang hatte das Kohlenerfassungsamt
versucht, in unserem Betrieb einen Sündenbock zu finden.
    Ich erzählte dem Geschäftsführer und den
Arbeitern von dem weißen Regenbogen, den ich auf meinem Weg nach Koi gesehen
hatte. „Sie auch!“ Er wunderte sich und schlug heftig auf den Tisch. „Ich habe
auch schon einmal einen gesehen, als ich in Tokio war, am Tag vor dem
Zwischenfall am 26. Februar. Einen weißen Regenbogen, stellen Sie sich vor.“
    Sein Regenbogen hatte wie der meine die Sonne
horizontal gekreuzt. Er war ungefähr um 11 Uhr vormittags an dem Tag vor dem
Zwischenfall in der Nähe des Kaiserlichen Palastes spazierengegangen. Das Meer
müsse stürmisch sein, hatte er sich gesagt, weil Hunderte von Möwen über dem
Palastgraben kreisten. Es war Februar, und auch eine Schar wilder Enten hockte
am Ufer, aber die Zahl der Möwen war ganz ungewöhnlich — Hunderte, wenn nicht
sogar Tausende. Er hatte das als sehr merkwürdig empfunden, als er — noch
merkwürdiger — den bleichen Regenbogen am Himmel sah, der mitten durch die
Sonne ging.
    „Es ist ein Omen, wissen Sie“, sagte der
Geschäftsführer in allem Ernst, „ein Omen, das nichts Gutes bedeutet. Am
nächsten Tag ereignete sich der Vorfall vom 26. Februar, also zeigt sich das
Omen offensichtlich am Tage vor unerfreulichen Ereignissen. Als ich einem der
höheren Angestellten in einem Regierungsamt erzählte, daß ich gerade einen
weißen Regenbogen gesehen hätte, war er zutiefst erschrocken. Ein ,silberner Regenbogen, der durch die Sonne geht“ — das
wäre ein Zeichen des Himmels, das bewaffnete Unruhen bevorstünden, sagte er.
Offensichtlich ist das ein Zitat aus irgendeiner Lebensbeschreibung aus den
chinesischen .Historischen Aufzeichnungen“. Ich hielt das für absoluten
Blödsinn, aber in der Morgendämmerung des nächsten Tages ging es schon los.“
    „Der Regenbogen, den ich heute gesehen habe, war
schmal“, sagte ich, „und er durchbohrte die Sonne gewissermaßen.“
    „Das stimmt — er ist nicht sehr breit,
stromlinienförmig und hell. Ich bin nicht abergläubisch, doch ein blasser
Regenbogen bedeutet nichts Gutes. Da gibt es keinen Zweifel, möcht ich meinen.“
    Ich war den ganzen Tag auf den Beinen gewesen
und sehr müde. Die Unterlagen für die Kohlenzüge konnte ich auch am nächsten
Morgen fertigmachen; so aß ich mit dem Geschäftsführer und den Arbeitern
zusammen Abendbrot in der Kantine.
    „Von gestern abend ist noch etwas Schnaps
übrig“, ließ ich den Geschäftsführer so nebenbei wissen. „Wunderbar!“ sagte er.
„Das ist doch etwas! Vielleicht komme ich morgen abend vorbei, kommt drauf an, was die wichtige Rundfunkmeldung mit sich bringt.“
     
    15. August. Schönes Wetter.
    Ich mußte besonders fest geschlafen haben, denn
ich wachte früh auf. Mir schien, als würde die Zeit, zu der ich zur Werkkantine
gehen konnte, niemals kommen. Wie gewöhnlich trank ich Wasser, um den Magen zu
betrügen. Und selbst als ich mich dann fertiggemacht hatte, war es noch zu
früh; so setzte ich mich in die Veranda und wartete. Ich saß immer noch da, als
der alte Mann, dem das Haus gehörte, auftauchte.
    „Was mag diese wichtige Rundfunkmeldung
bringen?“ fragte er und gab mir ein in Zeitungspapier gewickeltes Päckchen. Es
waren ein paar Kaffeebohnen aus Brasilien, wie er erklärte. Sein Neffe, der vor
zwanzig Jahren nach Brasilien gegangen war, hatte sie ihm vor ein paar Jahren
geschickt. Er wußte nicht, wie man sie zubereiten sollte, und bewahrte sie
deshalb seitdem in einer Tüte im Wandschrank auf. Ich selbst hatte noch nie
zuvor echte Kaffeebohnen gesehen und auch keine Ahnung, wie man sie röstete
oder mahlte, aber ich nahm sie dankbar an und sagte, da ich mich an etwas
erinnerte, was der Geschäftsführer mir einmal erzählt hatte: „Ob das wohl die
Sorte Mokka oder Brasil ist? Man sagt, daß die bekannteste Sorte, die man heute
in Brasilien anbaut, eine Mischung von beiden ist.“
    Der Alte war nicht in dem Glauben gekommen, in
mir einen über das Kriegsgeschehen wohlinformierten Mann zu finden. Diese
wichtige Rundfunkmeldung beunruhigte ihn einfach, und er wollte mit jemandem
sprechen. Ich hütete mich, ihm meine Meinung zu sagen.
    Er erzählte mir, daß im Temma-Fluß in Hiroshima
die Fische immer noch eingingen. Sie verloren die Kräfte und kamen an die
Oberfläche, mit dem Bauch nach oben, und wenn man sie in die Hand nahm,

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