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Schwarzer Regen

Schwarzer Regen

Titel: Schwarzer Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Masuji Ibuse
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keine Kohlenwagen dran. Es gelang mir, mit dem
Stationsvorsteher zu sprechen, und ich fragte ihn nach Kohlenzügen, aber er
teilte mir mit, daß seit dem 6. August keiner mehr gekommen sei, auch hätte er
keinerlei Nachricht, wann wieder etwas eintreffen würde. Seit dem 6. des Monats
könnten sie lediglich Fahrgäste befördern; Güterzüge kämen vorläufig nicht in
Frage.
    Ich konnte dem Stationsvorsteher also nur
erklären, wie die Dinge in unserer Firma standen, und ihn und seine Assistenten
mit meiner ganzen Beredsamkeit bitten, über den Bahnfernsprecher Erkundigungen
einzuholen, wann die nächste Schiffsladung zu erwarten war. Während unserer Unterhaltung
kam der Militärpolizist herein und stiefelte wortlos durch den Raum, wobei er
jeden der Anschläge an den Wänden sorgfältig untersuchte. Schließlich ging er
wieder hinaus, immer noch ohne ein Wort zu sagen. Aller Wahrscheinlichkeit nach
hatte man ihn von einer Einheit aus einem anderen Bezirk mit dem Auftrag
hergeschickt, die allgemeine Stimmung in Hiroshima zu erkunden. Er trug das
Rangabzeichen eines Sergeanten.
    „Recht menschlich für einen Militärpolizisten,
nicht wahr?“ meinte einer der Assistenten. Der Stationsvorsteher sagte nichts.
Der Polizist war tatsächlich für einen seiner Sorte verhältnismäßig
zurückhaltend. Mir fiel auf, daß seit dem Bombenabwurf das Militär ziemlich
unsicher war, ob es sich weiter so auf blasen konnte wie vorher.
    Der Stationsvorsteher erklärte sich in
allgemeinen Worten mit meiner Bitte einverstanden, und ich verabschiedete mich
mit der Versicherung, daß ich in ein, zwei Tagen wieder vorbeikommen würde, um
zu hören, was inzwischen geschehen konnte.
    Die Häuser in den Straßen, die noch nicht
zusammengestürzt waren, „standen“ auch hier, mehr aber auch nicht. Ziegelsteine
waren fortgeschleudert, Dachrinnen hingen herunter, und in den Fenstern gab es
nicht eine Glasscheibe. Selbst die Fensterrahmen hingen schief und sahen aus, als
ob sie sich nicht mehr öffnen ließen. Einige Familien hatten die Schiebetüren,
die auf die Straße hinausführten, wegnehmen müssen, um ein- und ausgehen zu
können.
    Ich lief die Hauptstraße zurück, die sich an den
höher gelegenen Wohnbezirken entlangzog. Unterwegs fiel mir an der Straße ein
gestrichenes Holzhaus auf. In dem modernen, im westlichen Stil gehaltenen
Eingang standen vielleicht zehn Opfer der Bombe bis auf die Straße hinaus. Alle
waren verletzt, mit geronnenem Blut auf den Wunden; einige hatten wie Ballons
angeschwollene Gesichter, andere versengtes Haar, und wieder andere besaßen nur
noch die gröbsten Kennzeichen menschlicher Geschöpfe. Es hing kein Namensschild
draußen, aber ich hielt es für die Wohnung eines Arztes. Das Wartezimmer, nahm
ich an, war voll, und diese Leute warteten, bis sie an die Reihe kamen. Es
waren Leute, die keine Aufnahme in einem Lazarett gefunden hatten oder nicht
die Kraft besaßen, sich dorthin zu begeben, oder auch nicht mit allen anderen
zusammengepfercht werden wollten. Ich ging schnell vorüber. In dem Eingang
eines anderen Gebäudes, das, wie ein Lagerschuppen aussah, erblickte ich
weitere Verwundete. Sie lagen alle einfach auf der Erde, nur ein Kind unter
ihnen hielt den Arm in die Luft gestreckt. Auch hier lief ich, so schnell ich
konnte, vorbei.
    Das Tuch, mit dem ich mich immer abwischte, war
schwarz von Schweiß und Schmutz. Um mir das Gesicht zu waschen, ging ich einen
Weg an ein paar Reisfeldern entlang, aber auf keinem von ihnen stand Wasser.
Die Bewässerungskanäle waren ebenfalls ausgetrocknet, und von den toten
Schmerlen, die sich in den Vertiefungen der schlammigen Gräben häuften, gab es
inzwischen auch nur noch Gräten. Ein toter Sperling lag am Kanal. Er hatte halb
verbrannte Flügel, und der bekannte Verwesungsgestank ging von ihm aus. Mit dem
Körper lag er halb im Morast versunken und zog eine Spur hinter sich, als wäre
er sieben oder acht Zoll weit gerutscht.
    Er war nicht entkommen wie die Taube, die ich am
Lotosteich gefangen hatte, sondern im Augenblick der Detonation in den Schlamm
geschleudert worden.
    Ich aß mein Mittagessen, während ich durch die
Reisfelder ging. Ich näherte mich jetzt den Bergen und sah den Rauch von den
Leichenverbrennungen aufsteigen.
    Als ich ins Werk zurückkam, traf ich den Geschäftsführer
mit etlichen Arbeitern in der Kantine, wo sie kalten Gerstentee tranken. Alle
sahen ungewöhnlich nachdenklich aus. Ich erstattete ihm Bericht und vermied vor
den Leuten

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