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Schwarzer Schmetterling

Schwarzer Schmetterling

Titel: Schwarzer Schmetterling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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die Täter die Seilbahn genommen haben, um sie zu transportieren.«
    »Keine Fingerabdrücke?«
    »Jedenfalls keine sichtbaren. Es gibt Hunderte verborgener Abdrücke in der Kabine. Die haben wir ins Labor geschickt. Wir sind dabei, zum Vergleich sämtlichen Mitarbeitern Fingerabdrücke abzunehmen.«
    Er nickte.
    »In welchem Zustand war die Leiche?«
    »Der Kopf wurde abgetrennt. Und sie wurde gehäutet: Die abgezogene Haut wurde zu beiden Seiten des Körpers flügelartig aufgespannt. Sie werden das auf dem Video sehen: eine wirklich makabre Inszenierung. Die Arbeiter haben sich noch nicht davon erholt.«
    Servaz starrte den Gendarmen an, all seine Sinne waren plötzlich hellwach. Selbst wenn äußerste Brutalität heute allgegenwärtig war, war dies hier alles andere als ein alltäglicher Fall. Ihm fiel auf, dass Irène Ziegler nichts sagte, sondern nur aufmerksam zuhörte.
    »Ein Make-up?« Er winkte mit der Hand. »Wurden die Fingerspitzen abgeschnitten?«
    Im Polizeijargon bedeutete »Make-up«, dass die Identifizierung des Opfers dadurch erschwert werden sollte, dass die Organe entfernt wurden, die gewöhnlich für die Identifizierung benutzt werden: Gesicht, Finger, Zähne …
    Der Beamte riss weit die Augen auf.
    »Wie … hat man es Ihnen denn nicht gesagt?«
    Servaz runzelte die Stirn.
    »Was gesagt?«
    Er sah, wie Maillard zuerst Ziegler und dann der Staatsanwältin einen erschrockenen Blick zuwarf.
    »Die Leiche«, stammelte der Gendarm.
    Servaz spürte, wie er die Geduld verlor – aber er wartete ab, wie es weiterging.
    »Es handelt sich um ein Pferd.«
     
    »
EIN PFERD
? …«
    Ungläubig blickte Servaz die anderen an.
    »Ja. Ein Pferd. Ein etwa einjähriges Vollblut nach allem, was man weiß.«
    Servaz wandte sich an Cathy d’Humières.
    »Sie haben mich wegen eines
Pferdes
kommen lassen?«
    »Ich dachte, Sie wüssten es«, verteidigte sie sich. »Hat Ihnen Canter denn nichts gesagt?«
    Servaz erinnerte sich, wie Canter in seinem Büro den Ahnungslosen gespielt hatte.
Er wusste es.
Und er wusste auch, dass Servaz diesen Weg wegen eines Pferdes nicht auf sich genommen hätte, wo er den Mord an dem Obdachlosen am Hals hatte.
    »Ich hab drei Jungs, die einen Obdachlosen abgeschlachtet haben, und Sie lassen mich wegen eines Gauls kommen?«
    D’Humières’ Antwort kam wie aus der Pistole, verständnisvoll, aber bestimmt:
    »Nicht irgendein Pferd. Ein Vollblut. Ein sehr wertvolles Tier, das wahrscheinlich Eric Lombard gehört.«
    Das ist es also!,
dachte er. Eric Lombard, der Sohn von Henri Lombard, Enkel von Edouard Lombard … Eine Dynastie von Finanziers, Industriekapitänen und Unternehmern, die seit sechzig Jahren über diese Gegend der Pyrenäen, das Departement und die gesamte Region herrschte. Und das natürlich mit unbeschränktem Zugang zu allen Vorzimmern der Macht. In diesem Land waren die Vollblutpferde von Eric Lombard bestimmt wichtiger als ein ermordeter Obdachloser.
    »Und vergessen wir nicht, dass sich nicht weit von hier eine psychiatrische Anstalt befindet, in der gemeingefährliche Psychopathen untergebracht sind. Wenn das einer von ihnen war, heißt das, er ist gegenwärtig auf freiem Fuß.«
    »Das Institut Wargnier … Haben Sie schon angerufen?«
    »Ja, sie haben gesagt, ihnen fehlt keiner ihrer Insassen. Und ohnehin darf keiner von ihnen die Anstalt auch nur vorübergehend verlassen. Angeblich ist es auch unmöglich, heimlich abzuhauen, so drakonisch sind die Sicherheitsmaßnahmen – mehrere Schutzzäune, biometrische Sicherheitsmaßnahmen, sorgfältig ausgewählte Mitarbeiter und so weiter … Wir werden das natürlich alles überprüfen. Aber die Klinik hat einen ausgezeichneten Ruf – aufgrund der Bekanntheit und der …
Eigenart
 … ihrer Insassen.«
    »Ein Pferd!«, wiederholte Servaz fassungslos.
    Aus den Augenwinkeln sah er, wie Capitaine Irène Ziegler endlich ihre Zurückhaltung ablegte und flüchtig lächelte. Dieses Lächeln, das er als Einziger bemerkte, dämpfte seine aufkeimende Verärgerung. Irène Ziegler hatte olivgrüne Augen, und unter ihrer Uniformkappe ragten hochgesteckte blonde Haare hervor, die er sich als sehr verlockend ausmalte. Ihre Lippen trugen nur einen Hauch von Rot.
    »Was sollen dann all diese Straßensperren?«
    »Solange wir nicht völlig sicher sind, dass keiner der Insassen aus dem Institut Wargnier ausgebrochen ist, werden sie nicht aufgehoben«, antwortete d’Humières. »Ich will mir keine Nachlässigkeit vorwerfen

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