Schwarzer Schwan
übersprang die erste Dreiviertelstunde bis 11-45/25-06 – fünfzehn Minuten nach dieser Zeit war Paula Buschs Maschine laut Flugplan gelandet.
Play.
Dominik konzentrierte sich auf jedes Detail. Schon nach einer Minute gab es das erste Wiedererkennen: Ein junges Pärchen schlenderte durch die Halle. Er im Anzug, sie in Rock und konservativer Bluse – zwei junge Leute, die es mit der Verkleidung übertrieben. Für einen Moment hob die Frau den Kopf und schaute direkt in die Kamera. Lilly Oppers beim Checken der Lage. Der Mann an ihrer Seite musste demnach Patrick Neidel sein.
Rasch gerieten sie wieder aus dem Blickfeld der Kamera.
Fluggäste traten aus der Halle mit den Gepäckbändern in die Begrüßungszone, erst einzeln, dann im Pulk. Es kam Bewegung in die Wartenden. Umarmungen, Blumen wurden übergeben, die Reihe mit den Stühlen leerte sich. Leute, die zuvor gestanden hatten, nahmen Platz. Menschen kamen und gingen. Dominik verlor den Überblick.
Er spulte ein kurzes Stück zurück und studierte noch einmal die Ankunft der Fluggäste. Oppers und Neidel tauchten nicht wieder auf. Auch sonst keiner, den Dominik erkannte. Schließlich riss der Strom der Passagiere ab, vor der Glastür kehrte Ruhe ein.
Das ist noch nicht der Flieger aus Berlin gewesen, überlegte Dominik.
Ein kleiner, schief gewachsener Mann mit einer Rose in der Hand stellte sich ans Geländer. Mit etwas Abstand gesellte sich eine ältere Dame hinzu, die ein Mädchen am Kragen festhielt. Die Kleine riss sich los und streunte durch den Wartebereich. Die Oma wurde nervös und wusste nicht, worauf sie zuerst achten sollte, auf ankommende Passagiere oder auf das gelangweilte Gör.
Dann setzte sich ein Mann auf einen der freien Sitze und Dominik spürte, wie sein Hals eng wurde.
Der Typ war nur von hinten zu sehen. Er trug eine helle Freizeithose und ein unauffälliges Poloshirt. Sein Kopf war kahl, die Schultern verrieten ein gesundes Maß an Sport. Der Mann klemmte seine Aktentasche eng zwischen die Füße, als wittere er Diebe in der Ankunftshalle.
Nach einer Weile beugte er sich zu der Tasche und entnahm Papiere, die er studierte.
Dominiks Puls beschleunigte sich.
Zwei Stühle weiter stand ein älterer Mann auf, der eine Zeitschrift zurückließ. Dominik kniff die Augen zusammen. War da nicht ein Kerl auf dem Titelblatt, der am ausgestreckten Arm einen großen Fisch präsentierte? Der Kahle packte die Papiere zurück in die Tasche, erhob sich kurz und schnappte sich das herrenlose Heft. Dann begann er zu blättern, wobei er immer wieder zur Tür aufsah.
Er schlug die Beine übereinander. Die Aktentasche war nun ungesichert. Noch immer hatte der Mann sein Gesicht nicht der Kamera zugewandt.
Der junge Anzugträger von vorhin tauchte wieder auf, diesmal ohne Begleitung. Dominik sah ihn nun von vorn und identifizierte ihn anhand der Fotos, die Lilly Oppers der Polizei überlassen hatte. Patrick Neidel blieb unmittelbar hinter dem Lesenden stehen. Er tat, als kontrolliere er seine Armbanduhr, linste aber zur Tasche.
12-10/25-06.
In diesem Moment glitt die Automatiktür zur Seite und entließ die nächste Gruppe von Fluggästen. Die Oma winkte hektisch das Mädchen herbei. Der bucklige Zwerg übergab seine Rose an eine Frau, die sich bückte – Küsschen links und rechts.
Neidel grapschte nach der Tasche des Kahlen und ging ohne Hast aus dem Bild.
Der Bestohlene warf die Zeitschrift auf den freien Nachbarsitz. Er musterte die Neuankömmlinge, die Hände auf die Knie gestützt.
Paula Busch trat aus dem Sicherheitsbereich. Struppiges, helles Haar und ein eleganter Hosenanzug. Einen Rollkoffer hinter sich herziehend, schritt sie die Rampe herab.
Der Kahle wollte im Aufstehen nach seiner Tasche greifen. Doch sie war weg.
Dominik stellte sich vor, was im Kopf des Mannes vorging: Mist, die Tasche – was passiert, wenn der Inhalt in falsche Hände gerät? Folge ich der Frau oder schnappe ich den Dieb, der noch nicht weit sein kann?
Der Kahle drehte sich um. Sein Blick suchte die Umgebung ab.
Das Gesicht hätte Dominik auch bei weit schlechterer Bildqualität erkannt. Es zu sehen, war ein Schock.
Jochen Urban hatte sich entschieden. Er schlug die Richtung ein, in die Paula Busch verschwunden war. Scheiß auf die Tasche.
Kurz darauf war im Blickfeld der Kamera Ruhe eingekehrt. Dominik fuhr die Aufnahme zurück, bis er den Moment wiederfand, in dem sein Exkollege sich umsah.
Er klickte auf das Symbol für Pause und starrte auf den
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