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Schwarzer Schwan

Schwarzer Schwan

Titel: Schwarzer Schwan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Eckert
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er sicherlich gefragt worden war. Mierscheid überlegte, was das für seine eigene Haltung bedeutete.
    Seinem Untersuchungsausschuss hatte die Atomdiskussion die Schau gestohlen. Die Artikel zur gestrigen Vernehmung Malte Lichtenbergs waren deutlich knapper als erwartet ausgefallen und nur ab und zu mit einem Foto garniert, das den Staatssekretär zeigte. Ein einziges Mal hatte man den CDU-Obmann des Ausschusses ausführlich zitiert – natürlich im Neuss-Grevenbroicher Anzeiger.
    Mierscheid ließ sich von seinem Referenten die Post bringen. Der Junge nutzte die Gelegenheit, ihm die Praktikumsbewerbung einer Abiturientin aus Neuss-Grefrath namens Annika zu überreichen. Es dauerte einen Moment, bis Mierscheid begriff.
    »Deine Freundin?«
    Clemens nickte. »Sie hat schon mal beim Anzeiger gejobbt.«
    »Zeitungen ausgetragen, oder was?«
    Clemens räusperte sich. »Annikas Eltern stehen zwar unserer Partei nicht gerade nahe …«
    »Auch das noch.«
    »… aber vielleicht würden sie dennoch eine Spende …«
    »Ich überlege es mir, danke, Clemens.«
    Der Referent zog sich in sein Kabuff zurück.
    Obenauf lag ein Brief des heimischen Wahlkreisbüros. Mierscheid riss den Umschlag auf. Darin ein kleineres Kuvert, in der Handschrift von Gerlinde, seiner Neusser Mitarbeiterin, mit Privatpost beschriftet. Mierscheid öffnete auch diesen Umschlag und förderte eine Ansichtskarte zutage, die man ihm offenbar kreuz und quer hinterhergeschickt hatte.
    Das Foto zeigte ein antikes Motiv: Vor einem Wagenlenker bäumten sich vier Pferde auf. Um seinen Kopf trug der Mann einen Strahlenkranz.
    Mierscheid drehte die Karte um und las:
    Lieber Lothar,
    schade, dass du gestern schon gegangen warst, als ich endlich Zeit hatte. Es war schön, dich wiederzusehen, und ich will dich fragen, ob wir uns in den nächsten Tagen mal treffen könnten. Um der alten Zeiten willen – und außerdem liegt mir da etwas am Herzen und ich hätte gern deinen Rat. Würde mich freuen!
    Herzlich
    Paula
    Die Zeilen einer Toten. Die Ansichtskarte stammte offenbar aus einem Museumsladen: Staatliche Museen zu Berlin, Amphore, Rhodos 435 v. Chr.
    Paula musste das Kärtchen am letzten Mittwoch geschrieben haben, noch vor ihrer SMS. Eine Woche lang waren die Zeilen als Irrläufer unterwegs gewesen. Mierscheid ärgerte sich darüber, wusste aber nicht, an wem er den Unmut auslassen konnte.
    In welcher Angelegenheit hatte Paula seinen Rat haben wollen?
    Er las den Text wieder und wieder. Er drückte seine Lippen auf ihre Unterschrift und presste die Karte gegen seinen schmerzenden Magen, als sei es Medizin.
    Lange verharrte er so, bis er sich albern vorkam. Er verstaute Paulas Botschaft in den privaten Tiefen seines Schreibtisches.
    Unter den restlichen Briefen fiel Mierscheid eine Sendung der Deutschen Börse AG auf. Wieder etwas, was ihn sofort an Paula denken ließ.
    Er öffnete auch diesen Umschlag.
    Es war eine Jobanfrage: Eine Mitarbeiterin Paulas hatte vor, sich beruflich zu verändern, und zu diesem Zweck offenbar sämtliche Stellen angeschrieben, mit denen die Berliner Repräsentanz der Deutschen Börse mehr oder weniger häufig zusammenarbeitete. Die Frau hieß Sandra Apitz und berief sich auf eine langjährige, loyale und erfolgreiche Zusammenarbeit mit ihrer Chefin Paula Busch.
    Mierscheid erinnerte sich an die junge, etwas pummelige Brünette im pinkfarbenen Kostüm, die er in der Komischen Oper getroffen hatte, und griff zum Telefon.
    Er ließ sich verbinden, bis er Sandra Apitz an der Strippe hatte.
    »Ich würde mich gern mit Ihnen über Paula unterhalten«, sagte er. »Wann passt es Ihnen?«
    Dreißig Minuten später saß Mierscheid ihr am Bundespressestrand gegenüber. Sie hatten ein ruhiges Plätzchen unter einem Sonnenschirm ergattert. Der Blick ging über die Spree auf Reichstagsgebäude und Kanzleramt. Ausflugsdampfer tuckerten vorbei, die Touristen an Bord fotografierten allesamt in Richtung Mutti.
    »Ohne Paula ist das Büro nicht mehr das, was es war«, sagte die junge Frau.
    Mierscheid gab sich Mühe, ihr nicht in den Ausschnitt zu starren – eindeutig zu freizügig für Bürokleidung, wie er fand.
    »Heute früh war die Polizei noch einmal bei mir. Angeblich ist Paula observiert worden. Keiner weiß, von wem und warum. Es wurden Fotos bei jemandem gefunden, der ebenfalls in Düsseldorf erschossen worden ist. Diese Stadt muss ein schlimmes Pflaster sein.«
    Mierscheid hatte von dem zweiten Mord gelesen. Dass es einen Zusammenhang gab,

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