Schwarzer Schwan
überraschte ihn. »Könnte Lichtenberg auf Paula geschossen haben? Was meinen Sie?«
Sandra Apitz schüttelte den Kopf. »Paula und der Staatssekretär hatten sich schon vor längerer Zeit getrennt. Nur nach außen sind sie noch als Paar aufgetreten, weil sie nicht wollten, dass ihr Privatleben in der Presse breitgetreten wird.«
»Haben sie denn nicht mehr zusammengewohnt?«
»Nein. Die letzten Monate übernachtete Paula in einem der Gästeapartments der Deutschen Börse an der Bundesallee in Wilmersdorf. Vor zwei Wochen hat sie gekündigt und begonnen, ihre Sachen zurück ins Rheinland zu schaffen, zu ihren Eltern, glaube ich. Was sie letztlich vorhatte, wusste sie wahrscheinlich selbst noch nicht. Mal hat sie von einer Auszeit gesprochen, mal von mehreren Optionen, die sie hätte.«
Endlich kamen die Getränke. Im Mineralwasser schwammen Eiswürfel und Zitronenstücke.
»Hoffentlich verwenden Sie ungespritzte Früchte«, sagte Apitz zu dem Kellner.
Wortlos knallte er ihr den Salat auf den Tisch, den sie ebenfalls bestellt hatte, und ging weiter.
»Essen Sie nichts?«
Mierscheid verneinte. »Ich würde gern noch mehr über Paula erfahren«, sagte er.
»Bitte, fragen Sie.«
»Wie gestaltete sich Paulas Privatleben nach der Trennung von Lichtenberg?«
»Darüber hat sie mit mir nicht geredet. Unser Verhältnis war rein beruflich. Aber natürlich kriegt man etwas mit.«
»Und?«
Apitz beugte sich vor, ihre Brüste rollten auf Mierscheid zu. »Ein reicher Kerl hat ihr manchmal seinen Wagen geschickt, und dann sind die beiden übers Wochenende verschwunden, mal nach Nizza, mal nach Istanbul, verstehen Sie? Und jede Woche ein Riesenblumenstrauß.«
»Wer ist der Kerl?«
»Das hat Paula geheim gehalten. Sie war da sehr diskret. Aber der Mann muss ernsthaft in sie verliebt gewesen sein. Nachdem Paula ihn abserviert hatte, rief er noch ein paarmal an. Einmal hatte ich ihn an der Strippe. Sympathische Stimme, hat aber seinen Namen nicht genannt.«
»Warum hat sie ihn abserviert?«
»Keine Ahnung. Sie kam aus dem Urlaub mit ihrer Schwester zurück und wollte nichts mehr von dem Typ wissen.«
Mierscheid trank sein Glas leer. Mord aus verschmähter Liebe – wenn Malte nicht der Täter war, dann vielleicht der Unbekannte.
Paula hat immer auf die falschen Männer gesetzt, dachte Mierscheid bitter.
Apitz stocherte im Salat und schüttelte energisch den Kopf. »Chauffeur und Jacht und Privatjet. So einem gibt man doch nicht den Laufpass!«
38.
Der braune Audi wäre Gero Schulz gar nicht aufgefallen, wenn der Fahrer nicht die Nerven verloren hätte. Polizeikommissar Schulz und sein Partner, Polizeioberkommissar Heinz Wächter, waren gerade auf dem Rückweg von einem Einsatz, der sie zur Charlottenstraße geführt hatte. Eine Gruppe von Pennern und Strichern war dort vor einem Imbisslokal in lautstarken Zoff geraten, Nachbarn hatten sich beschwert. Als die Polizisten eintrafen, hatten sich die Streithähne fast schon wieder beruhigt. Nur einer der Typen wollte sich nicht einkriegen und spuckte nach Wächter. Da war er an den Falschen geraten.
Wächter durchsuchte den jungen Kerl mit raschen Griffen, fand ein Tütchen mit kleinen, grauen Tabletten und beschloss, dass dies für eine Festnahme reichte.
Der Stricher trat um sich und schrie: »Polizeiwillkür!«
Was Wächter nicht beeindruckte. Er warf ihn zu Boden, legte ihm Handschellen an und setzte ihn in den Streifenwagen. Schulz war froh, als der Junge auf dem Rücksitz endlich Ruhe gab.
Rote Ampel, Schulz stoppte den Wagen und ließ den Blick schweifen.
Der Mann im Auto auf der linken Spur sah immer wieder herüber. Irgendetwas stimmt mit dem Kerl nicht, dachte Schulz. Dann stellte er fest, dass der Wagen neben ihnen ein mokkabrauner A6 war, und erinnerte sich an einen Funkspruch von vor dreißig Minuten, als sie auf dem Hinweg zur Charlottenstraße gewesen waren.
Grün – die Reifen des Audi drehten durch und der Wagen beschleunigte, als ginge es um die Wette.
Schulz bemühte sich dranzubleiben. Dass ihr blausilberner Passat schwächer motorisiert war, spielte in der Innenstadt keine große Rolle.
»Kannst du das Nummernschild lesen?«, fragte er seinen Partner.
»Ja. Das ist er«, antwortete Wächter.
Schulz versuchte, sich an die Fahndungsdurchsage zu erinnern. Ein Zeuge, der sich seiner Befragung durch Flucht entzogen hatte. Ein möglicher Mörder.
Der Audi raste bei Rot in eine Kreuzung und bog mit quietschenden Reifen ab. Schulz schaltete
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