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Schwarzer Schwan

Schwarzer Schwan

Titel: Schwarzer Schwan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Eckert
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gleich sehen.«
    Passable Qualität. Keine Ruckelbilder, keine wandernden Balken, kein verschneites Schwarz-Weiß. Der Film war in Echtzeit aufgenommen worden, kein Zeitraffer, der Timecode lief unten rechts im Bild mit.
    »Die Suitbertusstraße in Bilk«, erklärte Dominik. »Dienstagabend.«
    Da: 22:52 Uhr – Leonie strampelte auf dem Fahrrad ihrer Tante an der Kamera vorbei.
    Sie wäre noch pünktlich nach Hause gekommen.
    Dominik beugte sich über die Tastatur, hielt das Bild an und gab den Druckbefehl ein, dann ließ er weiterlaufen.
    Mit einem Abstand von wenigen Metern folgte ein weißer Golf. Er fuhr kaum schneller als Schritttempo.
    »Die Straße ist frei«, stellte Dominik fest. »Das Auto könnte überholen. Tut es aber nicht.«
    Er ließ die Szene noch einmal ablaufen. Erst Leonie, dann der Wagen.
    Der Fahrer saß allein in dem Auto, ein grauer Schatten im spärlichen Schein der Straßenlampe. Das Nummernschild war nicht zu lesen.
    Dominik stoppte den Film erneut, druckte auch dieses Standbild aus und legte beide Prints auf Hachmeisters Tisch.
    »Zwei Blocks entfernt ist die Kreuzung, an der ich das Fahrrad gefunden habe. Wie er das Mädchen überrumpelt hat, weiß ich nicht. Die Anwohner, die ich befragen konnte, haben nichts gehört oder gesehen.«
    »Du hast eine Hausbefragung gemacht?«
    »Im gesamten Umkreis, natürlich.« Dominik tippte auf den zweiten Ausdruck. »Schau dir den Mann an. Er ist ein Einzeltäter, das Auto ein Golf II. Wurde bis 1992 gebaut, so viel ich weiß.«
    »Millionenfach.«
    »Ganz so viele fahren nicht mehr herum. Die meisten, die es noch gab, dürften vor zwei Jahren der Abwrackprämie zum Opfer gefallen sein.«
    »Na toll.«
    »Ich habe auch Leonies Handy gefunden. Es wird gerade überprüft. Dem Spurenmann hab ich weisgemacht, du hättest mich geschickt. Wäre nett, wenn du meiner Version nicht widersprichst. Der Kollege könnte sonst sauer werden.«
    Hachmeister verzog das Gesicht. »Was hat die Tante von dem Mädchen, was ich nicht habe?«
    »Eine Nichte, die entführt worden ist. Oder glaubst du, eine Fünfzehnjährige würde ihr nagelneues iPhone aus freien Stücken in die Büsche werfen?«
    »Du meinst also, der Fahrer des weißen Autos …«
    »Leonie Kaul ist seit fünfunddreißig Stunden in seiner Gewalt. Wer weiß, was er mit ihr anstellt. Wenn sie noch lebt. Die Zeit läuft uns davon und wir sollten endlich Gas geben, meinst du nicht?«
    Die Kollegin blickte ihm in die Augen. Dominik spürte, dass sie in ihrer Laufbahn schon zu oft gesehen hatte, was die Welt an Grausamkeiten bot. Vielleicht wäre er an ihrer Stelle bereits zum Trinker oder Zyniker geworden.
    »Okay, Dominik«, sagte sie endlich. »Gib der Mutter und der Tante Bescheid, dass sie sich bereithalten sollen. Wenn wir mit der Entführungsstory an die Medien gehen, dann richtig.«
47.
    Ich fühle mich vollkommen verdreckt, sicher stinke ich fürchterlich. Meine Haare sind strähnig. Gut, dass hier kein Spiegel ist. Ich will gar nicht wissen, wie ich aussehe. Und mein Magen knurrt wie verrückt.
    Wie ist das Dreckschwein nur auf mich gekommen? Warum ausgerechnet ich?
    Ich trinke den letzten Schluck aus der Flasche. Das war’s.
    Vor Wut kratze ich über den Zementboden, bis meine Initialen nicht mehr lesbar sind. Ich will hier nicht verewigt sein, sondern weg!
    Vielleicht könnte ich einen Tunnel graben.
    Seltsam, wie leicht das geht, mit einem Kettenglied immer tiefer zu schaben. Im Nu entstehen Furchen.
    Der Gedanke an das brutale Dreckschwein lässt mich innehalten. Rasch verteile ich die Krümel über die Fläche und rücke die Pritsche zurück an ihren Platz.
    Er ist schon recht lange weg. Womöglich hat er die Lust an mir verloren?
    Oder es ist ihm etwas zugestoßen?
    Ich kriege das Zittern, wenn ich daran denke, dass er zurückkehrt.
    Aber was wird aus mir, wenn er es nicht tut?
48.
    Ein Halbkreis, ein paar kurze Strahlen – Lillys Idee gleich an ihrem gestrigen zweiten Tag.
    Creative Director Korfmacher und das ganze Team waren spontan begeistert. Auch der Kunde war angetan, wie es heute Morgen hieß. Angeblich hatte der Kommunikationschef des Konzerns ihren Logoentwurf in die engere Wahl genommen.
    Es kam nicht häufig vor, dass eine Praktikantin einen solchen Wurf landete – Lilly hätte sich eigentlich keinen besseren Einstieg erträumen können. Die Anerkennung half ihr, Patricks Tod zeitweise auszublenden, solange nicht auch im Großraumbüro der Agentur die Morde der letzten Zeit

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