Schwarzer Schwan
Namen, den Jochen ihm gestern zugesteckt hatte. Er musste die Mitarbeiter befragen, ohne dass die Mordkommission auf Urban Ermittlungen kam. Doch wie sollte er das bewerkstelligen?
»Du bist auf einmal so blass«, sagte Anna. »Ist dir nicht gut?«
Dominik räusperte sich. »Gibt es sonst noch etwas, was ich wissen müsste?«
»Die Mordkommission Aachener Platz hat seit gestern eine Spur. Und wir sollen uns ja gegenseitig auf dem Laufenden halten.«
»Was für eine Spur?«
»Ein Zeuge meint, gesehen zu haben, wie der Killer in ein Auto stieg. Hier muss es irgendwo …« Anna wandte sich zur Stellwand. Gemeinsam suchten sie, bis Dominik das Protokoll fand.
Einem Passanten, der vom Mord an Paula Busch zunächst nichts mitbekommen hatte, war ein paar Blocks weiter etwa zur Tatzeit ein Mann aufgefallen, der es eilig hatte und auf den die Täterbeschreibung passte: olivgrüne Kapuzenjacke, Jeans, helle Sneakers. Der Mann sei zu einem VW gelaufen und damit weggefahren. Allein und in Eile.
Es musste ein älteres Fahrzeug gewesen sein, denn der Mann hatte es nicht per Fernbedienung entriegelt, sondern mit einem stinknormalen Schlüssel. Die Kollegen hatten dem Zeugen ganze Mappen mit Fotos von Pkw-Typen gezeigt, um zu testen, ob er sich eindeutig festlegen konnte.
Kein Zweifel: ein VW-Golf der zweiten Generation, Farbe weiß.
50.
Dominik lief auf den Parkplatz hinaus, stieg in seinen Honda und startete – die Fahrbereitschaft um einen Dienstwagen zu bitten, dauerte ihm zu lange. Während er den Wagen auf die Neusser Straße lenkte, meldete sich sein Handy. Garantiert Anna, genervt, weil ich mich schon wieder allein auf die Socken mache, vermutete Dominik. Er wühlte das Telefon aus der Hosentasche.
Susanne Hachmeister vom KK 12 war dran. »Gerade gibt mir die Kriminaltechnik Bescheid.«
»Und?«
»Negativ.«
»Keine Spuren auf Leonies Handy?«
»Richtig.«
Eine rote Ampel. Dominik stieg auf die Bremse. Pech auf der ganzen Linie, dachte er.
»Also hat Leonies Entführer das Handy abgewischt, bevor er es wegwarf.«
»Vielleicht geben die Verbindungsdaten etwas her.«
»Ja, vielleicht.« Er drückte die Aus-Taste.
Grünes Licht.
Der Bus vor ihm setzte sich nur langsam in Bewegung. Dominik schaffte es, in die zweite Spur einzufädeln, und beschleunigte. Die Sonne knallte durch die Scheibe, der Tiefdruckausläufer hatte sich nach Osten verzogen.
Wieder klingelte das Telefon.
»Das darf doch nicht wahr sein«, motzte Anna. »Wo bist du schon wieder?«
»Mittagspause.«
»In einer halben Stunde ist Liliane Oppers zur Vernehmung da!«
»Ich auch. Versprochen.«
Urban Ermittlungen – das gediegene Metallschild mit den geprägten Lettern schien neu zu sein. Dominik bog in die Hofeinfahrt, Kies spritzte und beim Anhalten mahlten sich die Reifen des Honda in den Belag. Die Außentreppe des Loftgebäudes führte in den ersten Stock. Dominik nahm zwei Stufen auf einmal, die Schritte ließen das Stahlgerüst scheppern.
Die Schiebetüren standen auf, damit die Luft durch den großen Raum ziehen konnte. In der Mitte war mit halbhohen Schränken und Grünzeug ein Karree für Besprechungen abgeteilt. Über eine Bananenstaude hinweg erspähte Dominik seinen Freund, vor einem Flipchart stehend und einen Vortrag haltend. Anzugträger in mittlerem Grau lauschten. Auch Jochen hatte sich in Schale geworfen, für Dominik sah er darin fremd aus.
Dominik winkte. Ronaldo trottete heran und ließ sich kraulen.
Die junge Frau vom Empfang baute sich vor Dominik auf. »Das geht jetzt nicht. Herr Urban ist in einer wichtigen Kundenpräsentation. Wenn Sie vielleicht in einer Stunde …«
Er ignorierte die Frau und trat an eine Lücke zwischen den Schränken.
»Wirtschaftskriminalität ist ein Missbrauch des Vertrauensvorschusses, den ein Unternehmen seinem Mitarbeiter schenkt«, trug Jochen gerade vor. »Die Motive sind vielfältig, der Schaden oft unermesslich. Mitarbeiter kennen die Schwachstellen des Unternehmens. Je höher die Position, desto größer in der Regel der Schaden. Laut einer Studie der Universität Halle-Wittenberg liegt der durchschnittliche Verlust bei fünf bis zehn Prozent des Umsatzes, Tendenz steigend. Das entspricht auch den Erfahrungen unserer Detektei.«
Gemurmel und besorgte Mienen. Einige Zuhörer nickten.
»Das Täterverhalten beginnt damit, eine harmlose Büroklammer mitgehen zu lassen, und endet mit der Vernichtung eines Unternehmens durch fortgesetzten Geheimnisverrat. Wem sich eine
Weitere Kostenlose Bücher